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Der Meisterdieb und seine Feinde

Der Meisterdieb und seine Feinde

Titel: Der Meisterdieb und seine Feinde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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war
Kulse noch leidlich zurechnungsfähig und ließ einen Besucher ein.
    Helga hatte das Gespräch
belauscht und kaum ihren Ohren getraut. Gab’s also auch im Präsidium unter der
sonst so vorbildlichen Polizei ein schwarzes Schaf. Na, wunderbar!
    Während sie lauschte, entdeckte
sie die Pistole. Sie lag auf der inneren Fensterbank des zweiten Fensters, das
sich rechts neben der Hintertür befand. Die Pistole war — wie sich später
herausstellen würde, denn Helga verstand nichts von Waffen — eine S&W Mini
Gun 469.
    Dass Schrottleben wegen eines
Geräuschs — das nicht Helga verursacht hatte, sondern der Wind — plötzlich
misstrauisch wurde, war nicht vorherzusehen. Er kam.
    Rasch nahm sie die Pistole und
huschte in die Gästetoilette. Dort verharrte sie, Helga, mit angehaltenem Atem,
die Pistole auf die Tür gerichtet.
    War die Waffe geladen?
Entsichert? Keine Ahnung.
    Aber zum Einschüchtern würde
der Anblick genügen.
    Helga trug Jeans und einen
schwarzen Sweater mit Kapuze, aber keine Maske. Während die Frau abwartete,
wurde ihr bewusst, dass sogar ihr Sportpullover nach Parfüm duftete — nach
Black Pearl, Schwarzer Perle, ihrem Lieblings-Riechstoff.
    Schrottleben fand Kulse immer
noch auf dem Teppich kniend vor.
    „Was hast du gesagt?“
    „Ich sagte, du kannst das
Fenster schließen.“
    „Hm.“
    Bin ich sein Lakai?, dachte
Schrottleben. Aber um den Drogenboss nicht noch wütender zu machen, befolgte er
die Anweisung.
    „Und bring meine Waffe mit!“,
rief Kulse ihm nach. „Sie liegt auf dem Fensterbrett — rechts.“
    Jaja, dachte Schrottleben. Er
kannte die Pistole. An der rechten Griffschale war ein Stückchen vom Holz
abgesplittert.
    Er schloss das Fenster. Nach
der Waffe suchte er vergeblich.
    Vielleicht lag sie im Klo? So
wie sich der Alte mit Wodka abfüllte, konnte man nicht mehr davon ausgehen,
dass er seine fünf Sinne beisammen hatte.
    Schrottleben sah in die
Gästetoilette. Auch hier keine Waffe. Aber ein sehr starker Duft von Parfüm.
    Die Handseife war klein
gewaschen zu einem winzigen Stück. Schrottleben schnupperte daran. Es roch nach
nichts.
    Er ging zurück. „Ich finde
deinen Ballermann nicht.“
    „Du bist ja auch ein Bulle.
Bullen finden nie etwas. Sie versauen nur anderer Leute Teppiche. Möchte nicht
wissen, wie’s bei dir zu Hause aussieht. Wahrscheinlich watest du durch Unrat.
Und jetzt verschwinde, Bauer! Es ist Donnerstag. Am Donnerstag will ich allein
sein. Und froh gestimmt! Das ist nur noch allein möglich. Jedenfalls danke ich
für die Warnung. Beim nächsten Schmiergeld werde ich’s berücksichtigen.“
    Als hinter Schrottleben die
Haustür ins Schloss fiel, blieb er einen Moment stehen.
    Es war dunkler geworden. Ein
lautloser Nieselregen fiel auf die Großstadt. In einiger Entfernung bellte ein
Hund, dumpf und grollend. Vom übernächsten Grundstück fuhr leise ein Wagen ab.
    Schrottleben lief zu seinem
Fahrzeug, einem unauffälligen Opel, setzte sich hinters Lenkrad und nahm das
Handy aus dem Fach.
    Ludwig Bauer-Rottleben, sein
Bruder, meldete sich sofort.
    „Historischer Gasthof Grüner
Baum. Guten Abend.“
    „Ludwig, ich bin’s.“
    „Hallo, Wilhelm.“
    „Wann kann ich vorbeikommen?“
    „Am besten gleich. Wir öffnen
ja erst um sechs.“
    „Bin schon unterwegs.“
    Schrottleben unterbrach die
Verbindung und startete seinen Wagen. Bäume säumten die Aschdorfer Allee. Nach
etwa 100 Metern fuhr er an einem parkenden Wagen vorbei.
    Es war ein kleines, dunkles
Fahrzeug. Er achtete weder auf Marke noch Modell. Aber für einen flüchtigen
Moment bemerkte er, dass eine Frau hinterm Lenkrad saß. Sie rauchte.

    Sein Scheinwerferlicht streifte
sie. Ihr Gesicht wandte sich ihm zu: eine Blondine im dunklen Pullover.
    Dann war Schrottleben vorbei
und er dachte sich nichts weiter. Nach 20 Minuten Fahrt hielt er vor dem
Gasthof Grüner Baum, einem 200-jährigen Gebäude am Rande der Altstadt.
    Das alte Gemäuer blickte auf
eine ebenso lange Geschichte als Gasthof zurück. Baulich war es gut in Schuss,
innen urig, gemütlich und trotz aller Deftigkeit ziemlich vornehm. Wer hier
speiste, musste tief in die Tasche greifen. Wer nicht mindestens zwei Tage
vorher bestellte, konnte nicht mit einem freien Tisch rechnen.
    Schrottleben betätigte den
Türklopfer an der zweiflügeligen, wuchtigen Eichentür und sein Bruder ließ ihn
ein.
    Ludwig war etwas jünger als der
Kommissar. Hätte man einen Fremden raten lassen, wer welcher sei — wäre Ludwig
als Kommissar

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