Der Meisterdieb und seine Feinde
„Lucia,
du kannst uns vertrauen. Wir werden nichts tun, was dich oder deine Eltern in
Schwierigkeiten bringt.“
Lucia nickte, seufzte, blickte
unter den Tisch, streichelte Oskar und deutete dann auf das restliche Pizzabrot
und die Cappuccino-Tassen.
„Ihr seid eingeladen. Gebongt?“
„Aber nein“, meinte Tim. „Wir
sind zahlende Gäste und werden auch...“
„Bitte!“, fiel sie ihm ins
Wort. „Ich möchte euch einladen. Ich bin doch hier zu Hause.“
„Also gut“, meinte Gaby. „Wir
bedanken uns.“
Tim vergewisserte sich, dass
die Serviererin in der Küche war und auch sonst niemand lauschen konnte.
„Es stimmt also, Lucia, dass
von deinem Vater Schutzgeld gefordert wird. Das ist Erpressung und übelste
Gangster-Methode. Was weißt du?“
„Ich sag’s euch unterm Siegel
der Verschwiegenheit“, begann sie: „Mein Vater muss jede Woche 1000 Euro
abliefern. Ich weiß nicht an wen. Papa würde das auch nie verraten. Er hat viel
zu viel Angst. Er bringt das Geld zu einem so genannten toten Briefkasten. Von
dort holen die Gangster es ab. Wo das ist“, sie hob die Schultern, „keine
Ahnung. Gehört habe ich das alles ganz zufällig. Nämlich, als sich Papa mit
Claudio Pinantini unterhielt. Das ist ein Kollege. Er hat eine Bodega in der
Vincent-Allee. Auch er wird erpresst, hat Todesangst und ist machtlos. Das mit
dem Roma und dem Tivoli hat alle geschockt. Niemand wird reden.“
„Weißt du, an welchem Tag dein
Papa das Geld abliefert?“, forschte Tim.
„Immer freitags.
Freitagmittag.“
„Also morgen“, nickte Tim. Die
Entschlossenheit in seinem Gesicht spannte die Haut.
„Claudio Pinantini muss
sonntags abliefern. Immer nach dem Gottesdienst. Da habe er das Geld, nämlich
1500 — immer schon bei sich, sagte er. Es brenne ihm wie Feuer in der
Brusttasche und der Gottesdienst mache deshalb überhaupt keinen Spaß mehr.“
„Keiner würde das lustig
finden“, meinte Klößchen.
„Was meinst du?“, fragte Karl.
„Den Gottesdienst oder die Situation als solche?“
„Beides.“
Tim überlegte. „Glaubst du,
dass dein Vater die Gangster kennt? Der tote Briefkasten spricht dagegen.
Andererseits könnte es eine vereinfachte Methode für die Ablieferung sein.“
„Ich glaube nicht, dass Papa
oder sonst jemand die Gangster kennt. Als er mit Claudio gesprochen hat, war
nur von dem-Kerl-am-Telefon die Rede.“ Lucia fröstelte. Für einen Moment
schlang sie die Arme um sich. „Was... werdet ihr tun?“
Tim grinste. „Ganz zufällig
beobachten wir, wie dein Papa das Geld hinterlegt. Solche Zufälle kommen vor im
wirklichen Leben — zumal bei Durchblickern wie uns, die wir ja sehr umtriebig
sind. Beim Anblick des Zasters machen wir uns Gedanken und legen uns auf die
Lauer. Wenn das Erfolg hat, sind wir ein Stück weiter.“
Lucia nickte eifrig. „Dann sagt
ihr Gabys Vater, was Sache ist.“
„Kommissar Glockner“, erklärte
Tim, „ist leider für längere Zeit in Amerika — dienstlich. Wir müssten uns an
Bauer-Rottleben wenden — genannt Schrottleben aber zu dem haben wir gar kein
Vertrauen. Schrottleben würde die Sache vergeigen. Oder so lange auf Eis legen,
bis es kein italienisches Restaurant mehr gibt in unserer Millionenstadt. Und
das wäre die Vorstufe zum Weltuntergang.“
Lucia lächelte. „Trinkt ihr
noch einen Cappuccino mit mir?“
5. „Hinten hat was geklirrt!“
Der Wind fauchte durch die
Aschdorfer Allee. Kein Mensch war zu sehen. Die noblen Grundstücke hatten sich
mit Hecken umgürtet. Die Laternen brannten bereits. Nachher würde es regnen.
Kommissar Bauer-Rottleben hatte
seinen Wagen in einer Seitenstraße geparkt und sich den Hut ins Gesicht
gezogen. Außerdem achtete der Kriminalbeamte darauf, dass ihn niemand bemerkte.
Er war groß, dicklich, hatte
feuchte Lippen und lächelte fast immer. Zwei Ehefrauen hatten sich von ihm
getrennt — im Abstand vor sechs Jahren. Von der Ersten war er
selbstverständlich auch geschieden, mit der Zweiten lebte er in Scheidung. Sie
stritten seit Monaten über die Höhe der Unterhaltszahlung. Wenn Schrottleben
von seinen Ehemaligen sprach, packte er nur Gemeinheiten und Boshaftes aus. Die
Kollegen im Präsidium hörten ihm nicht zu. Seine Niedertracht war ihnen
zuwider. Aber am Stammtisch, wo er jede Woche Schnapsrunden schmiss, war man
ganz seiner Meinung.
Kinder hatte er zum Glück
nicht. Die mochte er ebenso wenig wie Tiere.
Der Kommissar trat durch eine
eiserne Pforte, eilte zu einer protzigen Villa
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