Der Meisterdieb und seine Feinde
keinerlei Anhaltspunkte. Außerdem zählen Italiener längst nicht mehr als
Ausländer. Der Verdacht ist also, es könnte was Persönliches sein. Rache,
Konkurrenzneid oder so. Aber auch da gibt’s keinen Hinweis. Auffällig ist: Die
geschädigten Restaurant-Besitzer scheinen verängstigt zu sein. Jedenfalls
machen sie keinerlei Angaben. Sie schweigen. Und mein Papi sprach das Wort dazu
aus: Schutzgeld-Erpressung.“
Klößchen hatte den Rest seiner
französischen Schoko-Tafel vertilgt und nickte. „Wenn ich richtig programmiert
bin, geht das mit der Schutzgeld-Erpressung so: Gangster fordern von einem
Restaurant-Besitzer ein Schutzgeld — wöchentlich oder monatlich. Wenn er zahlt,
bleibt er unbehelligt. Denn angeblich beschützen ihn die Gangster fürs Geld.
Zahlt er nicht, wird sein Pasta-Tempel abgefackelt. Und zwar von den
Schutzgeld-Erpressern höchstpersönlich. Wendet er sich an die Polizei,
verhelfen ihm die Gangster mit dem Messer zu einer zweiten Gesäßkimme.“
„Absolut richtig!“, lobte Karl.
„Wir stellen fest, dass Dr. Drills Schmerzbetäubungs-Spritze dein Gehirn nicht
beschädigt hat.“
„Aber der Einstich war
horrormäßig.“ Klößchen verzog das Gesicht.
„Ich bin noch nicht fertig“,
sagte Gaby. „Gestern Nachmittag habe ich nämlich beim Figaro zufällig Lucia
Corsa getroffen und...“
„Figaro?“, fragte Klößchen.
„Warst du in der Oper?“
„Neiiiiiin, Blitzmerker! Beim
Hairstylist. Ich habe mir den Pony und auch die übrigen Haarspitzen kürzen
lassen. Natürlich nur um Millimeter.“
Klößchen nickte. „Lucia Corsa —
kenne ich die?“
„Natürlich. Sie kommt häufig
ins Eislauf-Stadion. Das glutäugige Mädchen mit dem Mittelzopf. Sie ist 14.“
„Sieht aber wie 13 aus“, sagte
Karl. „Trotz ihrer südlichen Reife.“
„Sie ist riesig nett“, fauchte
Gaby, „und absolut okay.“
„Klar doch!“ Karl duckte sich.
„War ja nicht kritisch gemeint.“
„Es gibt keine südliche Reife —
so wie es keine nordische Unreife gibt. Es gibt nur Typen, die Mädchen gern mit
‘nem Aufkleber versehen — als stünde man im Regal.“
„Bekenne mich schuldig.“
Gaby lächelte. „Ihrem Vater
gehört das Che Italia, eine Edel-Pizzeria in der Nauberring-Straße. Tja, erst
haben wir gealbert — das heißt, wir haben über Jungs gelästert und sie mit
Aufklebern versehen — dann kamen wir auf die Brandanschläge. Ganz beiläufig
habe ich Schutzgeld erwähnt und Lucia wurde kreideweiß. Leise habe ich gefragt,
ob sie was wisse — und sie hat sich verplappert, sagte nämlich: Ja, wir auch...
und mein Vater ist total am Ende... Aber dann hat sie gesagt: Ach, was rede ich
denn! Vergiss es! Ist gar nicht wahr. Dann kam sie mit Waschen und Föhnen an
die Reihe und ich konnte nicht nachhaken.“
Klößchen pfiff durch die Zähne.
Dabei versprühte er einige Schoko-Krümel, die auf Karls grüner Windjacke
landeten. Der Computer-Experte sprang zurück.
„Spuck mich nicht an.“
„Hab dich nicht so.“
Tim nahm das Wort. „Jedenfalls
haben wir beschlossen, wir fahren zum Che Italia — und zwar sofort. Wir reden
mit Lucia. Vielleicht auch mit ihrem Vater, der Luciano heißt. Unser Ziel: Wir
schlagen eine Bresche in die Mauer des Schweigens. Wir ermitteln, ob es diese Schutzgeld-Erpresser
gibt. Und wenn ja, wer sie sind. Damit vertreten wir Gabys Vater aufs Beste —
und Schrottleben lassen wir außen vor. Denn der Mann ist wirklich zum Speien —
mit seinem ewigen Grinsen.“
„Außerdem hat er ständig
feuchte Hände“, nickte Karl. „Wahrscheinlich schwitzt er auch an den Füßen.“
Alle lachten. Tim dachte:
Schade, dass Kommissar Glockner nicht da ist. Mit Schrottleben geht gar nichts.
Gabys Vater befand sich
dienstlich in den USA, in der Hauptstadt. Er gehörte zu einem internationalen
Team von Anti-Terror-Experten, die als Ausbilder angefordert waren. Es ging u.
a. darum, weltweit Arbeitsweise und Methoden der Teams aufeinander abzustimmen
— denn nur ein dichtes Netz der Zusammenarbeit konnte Erfolg verheißen. Erst
Ende November war mit Glockners Rückkehr zu rechnen.
„Oskar darf mit“, sagte Gaby —
und stieg auf ihr Rad.
3. Zwei schwarze Seelen
Noch während Petra Elken die
getönte Brille abnahm und damit ihr Gesicht entblößte, wusste Wenk: Das Ganze
ist ein Albtraum. Gibt es solche gleich geschalteten Ereignisse?
Die Frau sah ihn an. Ein Blick
von Minus-zehn-Grad.
„Na, Ralf Höfler? Wo bleibt
deine Geschichte? Von den bösen
Weitere Kostenlose Bücher