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Der Memory Code

Der Memory Code

Titel: Der Memory Code Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M.J. Rose
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sich an den Knien durch Hose und Haut bis auf die Knochen durch. Er hielt sich die Handflächen vors Gesicht, vergaß für einen Moment, dass ja kein Licht in den Tunnel drang, dass er nicht sehen konnte, wie er zugerichtet war. Einzig der überwältigende Blutgeruch war ein Anhalt. Als er sich mühsam das Hemd über den Kopf zerrte, stieß er sich den Schädel an der Stollendecke. Nachdem er das Kleidungsstück mithilfe der Zähne in Fetzen gerissen hatte, wickelte er sich die Streifen um die blutenden Handflächen. Die Knie allerdings konnte er nicht verarzten.
    Das Rückwärtskriechen verlief umständlich und langsam. Gerade war er einige Meter weit gekommen, als er die Stimmen vernahm: Der Professor und ein anderer Mann redeten laut und schnell in Italienisch aufeinander ein. Dem Tonfall nach stritten sie sich.
    Stetig rückwärtskriechend und die Schmerzen nach Kräften ignorierend, erreichte Josh schließlich die Stelle, an der er wenden konnte. Danach kam er besser voran und bog nur Sekunden später um einen Knick. Vor ihm lag bloß noch ein schnurgerades Stück, an dessen Ende der Zugang zum Stollen sichtbar wurde. Durch die Öffnung sah man in die Grabkammer hinein.
    Die Hände seitlich zu Fäusten geballt, stand der Professor im mattgelben Schein der Karbidlaterne, vor sich offenbar einen Unbekannten, den Josh zwar nicht erkennen, dafür aber hören konnte. Seine Stimme klang fordernd und grausam. Rudolfo antwortete ihm zornig und trotzig. Eine Übersetzung benötigte Josh nicht. Ihm war auch so klar: Der Professor schwebte in Gefahr.
    Josh schob sich noch einen Fuß vor, dann einen weiteren. Jetzt ging der Unbekannte an der Tunnelöffnung vorbei, wodurch er zumindest teilweise zu sehen war. Nach seiner Kleidung zu urteilen handelte es sich um den Wachposten, dem Josh bei seiner Ankunft begegnet war.
    Bestand doch kein Grund zur Sorge?
    Allerdings ging die heftige Auseinandersetzung unvermindert weiter. Erregte Worte flogen hin und her, und zwar so schnell, dass Josh sie auch dann nicht verstanden hätte, wenn sein Italienisch über geringe Grundkenntnisse hinausgegangen wäre.
    Das Gezeter steigerte sich, und Rudolfo versuchte, den Wachmann beiseitezustoßen. Der wich ihm indes mit einem gekonnten Ausfallschritt aus, sodass der Professor aus dem Gleichgewicht geriet und stürzte. Der Wachmann setzte ihm den Fuß auf die Brust.
    Schneller zu kriechen war so gut wie unmöglich; dafür lag zu viel Schutt auf dem Stollenboden, und trotz der provisorischen Bandagen taten Josh die Hände höllisch weh. Aber er musste schneller vorwärtskommen. Er witterte eine Verbindung zur Vergangenheit, eine Gelegenheit, begangenes Unrecht wiedergutzumachen. Die Chance lag nur wenige Zoll entfernt, gleichsam in Reichweite.
    Ein spitzer Stein stach ihm ins rechte Knie. Unwillkürlich stieß Josh einen unterdrückten Fluch aus und erstarrte. Ihm wurde bewusst, dass er nur eine Chance hatte, dem Professor zu Hilfe zu kommen: Er musste den Wachmann überrumpeln.
    Dann geschah alles rasend schnell. Hätte er selbst auch nur fünf Sekunden nicht hingesehen, wäre ihm alles entgangen, aber sein Blick war die ganze Zeit fest auf die Szene geheftet. Und trotzdem war Josh nicht schnell genug, um einzugreifen. Inzwischen sah er die gesamte Krypta vor sich, zwar noch ein gutes Stück entfernt, aber deutlich.
    Der Wachposten bückte sich, beugte sich über die uralte Mumie und riss ihr die Holzschatulle aus den Händen.
    “No, no …” Der Professor rappelte sich hoch, sprang seinem Gegner gleich einem rasenden Affen von hinten auf den Rücken und versuchte, ihm das Kästchen zu entwinden.
    Der hochgewachsene Mann wehrte Rudolfo ab wie eine lästige Fliege. Wieder zu Boden geschleudert, landete der Professor diesmal in unmittelbarer Nähe der Mumie. Zu nahe. Er stieß mit dem Arm gegen den Leichnam, worauf der Kopf ein Stückchen nach vorn sackte. Rudolfo stieß einen gequälten Schrei aus und kroch auf die Tote zu. Ehe er sie aber erreichen konnte, versetzte der Wachmann ihr einen wuchtigen Stiefeltritt. Mit einem hässlichen Knacken brach das bisher unversehrte Knochengerüst mitten entzwei.
    Während der Professor neben Sabina kniete, öffnete der Wachposten das Holzkästchen, zog etwas heraus, das wie ein Lederbeutel aussah, schüttelte sich den Inhalt in die Hand und ließ ihn dann in seiner Hosentasche verschwinden. Schließlich warf er die Schatulle in Rudolfos Richtung. Sie traf ihn an der Schulter und zerbrach, worauf die Teile

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