Der menschliche Körper
das Lager mit den elementarsten hygienischen Vorrichtungen auszustatten und den Schutz des Haupteingangs durch den Bau einer langen, gewundenen Befestigungsanlage zu verstärken.
Egitto kümmerte sich um die Einrichtung der Krankenstation in einem Zelt unweit der Kommandozentrale. In die eine Hälfte stellte er eine Liege und einen Tisch samt zwei mit Medikamenten vollgestopften Regalen und einem kleinen Kühlschrank dahinter, wo er die verderblichen Arzneimittel aufbewahrte. Seinen persönlichen Bereich trennte er durch eine Plane in Tarnfleck ab. Das Wartezimmer ist ein zu einer Bank zurechtgebogenes Metallgitter im Freien.
Seitdem das Zelt ein in seinen Augen halbwegs würdiges Aussehen angenommen hatte, verlangsamte er die Arbeit beträchtlich. Jetzt, da er verschiedene Verbesserungen vornehmen könnte – ein paar anatomische Tafeln an die Wand hängen, dafür sorgen, dass die wartenden Patienten etwas Schatten genießen, die letzten Kisten auspacken und das chirurgische Besteck irgendwie passender unterbringen –, hat er keine Lust dazu und vertut viel Zeit damit, sich das zum Vorwurf zu machen. Nicht so wichtig, er kehrt ja bald nach Hause zurück. Die sechs Monate seiner Dienstzeit sind um, und der Rest seiner Brigade hat den Vorposten verlassen. Einige Kameraden sind bereits in Italien, genießen in vollen Zügen die fünfundzwanzig Tage Urlaub und knüpfen an intime Beziehungen wieder an, die in der Entfernung zu reinen Phantasiegebilden geworden waren. Als Letzter ist Oberst Caracciolo abgeflogen, der beim Einsteigen in den Hubschrauber einen Blick auf die öde Landschaft warf und den vielsagenden Satz von sich gab: «Noch so ein Scheißort, der mir nicht fehlen wird.» Die muntere und ausgeruhte Division von Oberst Ballesio hat die Räume in Besitz genommen, und es werden etliche Tage vergehen, bevor der Stützpunkt wieder in einen geordneten Zustand versetzt sein wird. Das wird genau dann eintreten, wenn die neue Ablöse eintrifft.
Egitto sitzt am Schreibtisch und döst – fraglos das, was er seit einiger Zeit am besten kann –, als ein Soldat in die Krankenstation hereinschaut.
«Herr Oberleutnant?»
Egitto schreckt hoch. «Was ist?»
«Der Oberst lässt Ihnen sagen, dass der Arzthelfer übermorgen kommt. Ein Hubschrauber wird Sie nach Herat bringen.»
Der Junge ist noch immer halb drinnen, halb draußen, das Gesicht im Halbschatten nicht zu erkennen.
«Ist Sergeant Anselmo wieder gesund?»
«Wer?»
«Sergeant Anselmo. Er hat den Auftrag, mich abzulösen.»
Nach allem, was man ihm gesagt hat, hat der Sergeant sich eine Grippe mit bronchialen Komplikationen geholt und lag bis vor wenigen Tagen mit einer weichen Sauerstoffmaske über Nase und Mund im Feldlazarett von Herat.
Verschüchtert hebt der Soldat die Hände. «Ich weiß es nicht, Herr Oberleutnant. Man hat mir nur aufgetragen, Ihnen mitzuteilen, dass der Arzthelfer kommt und der Hubschrauber Sie …»
«Mich nach Herat bringt, ja, ich habe verstanden.»
«Genau, Herr Oberleutnant. Übermorgen.»
«Ich danke Ihnen.»
Der Soldat bleibt auf der Schwelle stehen.
«Was gibt es noch?»
«Glückwunsch, Herr Oberleutnant.»
«Wozu?»
«Sie können nach Hause.»
Er verschwindet, die Zeltklappe schwingt einen Augenblick hin und her, gibt den Blick frei auf das gleißende Licht draußen. Egitto legt die Stirn auf die Unterarme und versucht wieder einzuschlafen. In nicht einmal einer Woche wird er in Turin sein, wenn alles wie geplant läuft. Bei diesem Gedanken verspürt er völlig unerwartet ein Würgegefühl.
Sein Nickerchen ist vorüber, er beschließt, aufzustehen und hinauszugehen. Er geht an der östlichen Begrenzung entlang und durchquert den Bereich des Pionierkorps, wo die Zelte so dicht nebeneinander aufgestellt sind, dass man sich in den Schultern schmal machen muss, um hindurchzukommen. Er klettert eine Leiter hinauf, die an der Befestigung lehnt. Der wachhabende Soldat grüßt ihn, dann tritt er beiseite, um ihm Platz zu machen.
«Sind Sie der Doc?»
«Ja, der bin ich.»
Egitto beschirmt sich mit der Hand die Augen, um sie vor dem Licht zu schützen.
«Wollen Sie mein Fernglas?»
«Lassen Sie es gut sein, es geht auch so.»
«Aber nein, nehmen Sie mein Fernglas, man sieht besser damit.» Der Junge nimmt das Gerät vom Hals. Er ist sehr jung und erpicht darauf, sich nützlich zu machen. «Die Schärfeneinstellung ist manuell. Sie müssen an diesem Rädchen drehen. Warten Sie, ich stelle es Ihnen ein.»
Egitto
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