Der menschliche Körper
ins Zelt des Kommandanten gekommen ist. Im grünlichen Licht, das durch die Zeltplane dringt, wirkt der kleine Prinz noch verlorener.
«Gibt es etwas Bestimmtes, das Sie mir sagen wollten, Oberleutnant?»
«Ich möchte um Verlängerung meines Aufenthalts bitten, Herr Oberst.» Die Bedeutung des Satzes wird ihm erst klar, als er ihn ganz ausgesprochen hat.
Ballesio zieht die Augenbrauen hoch. «Im Ernst?»
«Jawohl.»
«In Afghanistan oder hier am Arsch der Welt in Gulistan?»
«In der FOB , Herr Kommandant.»
«Stellen Sie sich vor, ich dagegen möchte nichts wie weg hier. In drei Monaten beginnt die Skisaison. Wollen Sie nicht zum Skifahren nach Hause, Oberleutnant? Sagen Sie mir nicht, Sie sind einer von diesen Süditalienern, die noch nie Skier an den Füßen hatten.»
«Nein. Ich kann Ski fahren.»
«Umso besser für Sie. Nichts gegen die Süditaliener, wohlgemerkt. Manche sind anständige Leute. Aber eins steht fest, sie Alpini zu nennen, dazu gehört schon viel. Für die sind diese scheußlichen Wüsten genau das Richtige. Sie sind daran gewöhnt. Ich dagegen würde wer weiß was dafür geben, nach Hause in die Berge zurückzukehren und den ganzen Winter Ski zu fahren. Aaah! Das sage ich mir jedes Jahr, diesmal gehe ich ausgiebig Ski fahren, und dann kommt immer etwas dazwischen. Letztes Jahr ist meine Frau über eine Gehsteigkante gestolpert, und ich musste den Krankenpfleger spielen. Eine entwürdigende Erfahrung. Vom Fenster aus schaute ich auf die verschneiten Tofanen, und ich wäre hinaufgeklettert, nur um eine Abfahrt zu machen. Auf dem Hintern wäre ich heruntergerutscht. Dieses Jahr werde ich ihn nicht mal zu Gesicht bekommen, den Schnee. Vergeudete Zeit, vergeudetes Leben. Vor allem in Ihrem Alter. Wie auch immer. Sind Sie wirklich sicher, dass Sie bleiben wollen?»
«Ich bin mir sicher, Herr Oberst.»
«Ich hoffe nur, dass Sie das nicht aus missionarischem Eifer tun. Man hat mir von dem Kind erzählt, das Sie gerettet haben, wissen Sie? Das mit dem Opium. Glückwunsch. Rührende Geschichte.» Er schnaubt verächtlich. «Aber wir sind keine Missionare, denken Sie daran. Wir sind Heißsporne. Wir spielen gern mit Waffen, noch lieber bringen wir sie zum Einsatz.»
«Es ist wegen des Geldes», lügt Egitto.
Der Oberst kratzt sich heftig am Kinn, nachdenklich. «Geld ist immer ein guter Grund.»
Die Duftbäumchen flattern wie verrückt im Luftzug der Klimaanlage und sondern süßliche Duftwolken ab. Egitto wird fast übel.
Ballesio zeigt auf ihn. «Was Sie da im Gesicht haben. Geht das wieder weg?»
Egitto richtet sich auf dem Stuhl auf. Er stellt sich die Geometrie der Flecken im Gesicht vor. Sie ändert sich jeden Tag, wie eine atmosphärische Störung, und er beobachtet sie wie ein Meteorologe. Mittlerweile kennt er das Verhalten jeder Zone: Auf den Wangen heilen die Flecken schnell, rund um die Lippen sind sie schmerzhaft, die schuppigen Augenbrauen ängstigen die Leute, die Ohren sind eine Katastrophe. «Manchmal wird es etwas besser. Ein bisschen. In der Sonne zum Beispiel.»
«Das kann man gar nicht glauben. Sie wirken etwas ungepflegt dadurch. Nichts für ungut.»
Egitto hält sich am Gürtel fest. Auf einmal ist ihm sehr heiß.
«Auch ich habe etwas Lästiges», sagt Ballesio. Er lockert den Uniformkragen. «Kommen Sie. Schauen Sie hier. Da sind Pusteln, nicht? Sie jucken wie verrückt. Ihr Zeug, juckt das?»
Egitto kommt hinter den Schreibtisch, um die Haut des Kommandanten zu untersuchen. Eine leichte Rötung der Haut am Kragenrand. Rote Pusteln, winzig wie Bleistiftzeichen. «Das ist nur ein Erythem. Ich habe eine Calendula-Creme.»
«Calendula? Was zum Teufel ist denn das? Haben Sie kein Cortison?»
«Cortison ist nicht nötig.»
«Damit geht es mir aber gleich besser. Bringen Sie mir Cortison. Das sollten Sie bei sich auch versuchen, Oberleutnant.»
«Ich danke Ihnen für den Ratschlag, Herr Oberst.»
Er setzt sich wieder, legt die Hände auf die Knie. Der Oberst rückt seine Jacke zurecht.
«Also gehören Sie jetzt zu uns», sagt er. «Mir müsste man schon einen ordentlichen Batzen Geld geben, um mich dazu zu bringen hierzubleiben. Wie auch immer. Ihre Angelegenheit. Wir können einen richtigen Arzt gebrauchen. Ihr Kollege Anselmo schafft gerade mal das Nähen von Wunden. Ich werde Ihre Entscheidung noch heute bekanntgeben, Oberleutnant.»
Egitto bittet um die Erlaubnis, wegtreten zu dürfen.
«Noch etwas, Doktor.»
«Zu Befehl.»
«Stimmt es, was man sich
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