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Der menschliche Körper

Der menschliche Körper

Titel: Der menschliche Körper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paolo Giordano
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tauschen vielsagende Blicke: Da wollten sie ihn haben. «Jede Menge, Alter», sagt einer der beiden. «Und die sind nicht so, wie wir es hier gewohnt sind.»
    «Oh, da unten ist denen alles egal.»
    «Sie sind weit weg von zu Hause und langweilen sich so sehr, dass sie zu allem bereit sind.»
    «Zu allem, glaub mir.»
    «In keinem gottverdammten Ferienclub wird so viel gevögelt wie im Einsatz.»
    «Und dann sind da noch die Amerikanerinnen.»
    «Wow, die Amerikanerinnen!»
    Sie fangen an, von der Sekretärin eines Obersten zu erzählen, die drei Unteroffiziere in ihr Zelt mitgenommen und im Morgengrauen rausgeschmissen hat, fix und fertig, nein, nicht wir, schön wär’s, Leute von einer anderen Kompanie, aber im Lager wussten alle Bescheid. Ietris Blicke springen von einem zum anderen, während ihm das Blut von den Füßen in den Kopf strömt und ihn trunken macht. Als er den Fitnessraum verlässt und in die samtige Luft des Sommerabends hinaustritt, hat er den Kopf voll der ausschweifendsten Phantasien.
    Aller Wahrscheinlichkeit nach ist er selbst es, der gewisse Gerüchte unter den Jungs vom dritten Zug in Umlauf bringt, Gerüchte, die nach langen Umwegen wieder an sein Ohr gelangen und an die er zum Schluss mit größerer Überzeugung glaubt als alle anderen. In die skeptische Furcht vor dem Tod mischt sich eine Abenteuerlust, die schließlich überwiegt. Ietri stellt sich die Frauen vor, die er in Afghanistan kennenlernen wird, das verschwörerische Lächeln beim Morgenappell, den fremdländischen Akzent, mit dem sie seinen Namen rufen.
    Auch während des Unterrichts von Hauptmann Masiero tut er nichts anderes, als sie unentwegt aus- und wieder anzuziehen.
    «Obergefreiter Ietri!»
    In seinem Kopf nennt er sie alle Jennifer, und er hat keine Ahnung, woher er diesen Namen hat. Jennifer, ooooh Jennifer …
    «Obergefreiter Ietri!»
    «Zu Befehl!»
    «Wären Sie so freundlich zu wiederholen, was ich eben gesagt habe?»
    «Gewiss, Herr Hauptmann. Sie haben … von den Stämmen gesprochen … scheint mir.»
    «Wollen Sie vielleicht sagen, Ethnien?»
    «Jawohl, Herr Hauptmann.»
    «Und von welcher Ethnie genau habe ich gesprochen?»
    «Mir scheint, von den … ich weiß es nicht, Herr Hauptmann.»
    «Obergefreiter, verlassen Sie sofort diesen Raum.»
    Die peinliche Wahrheit ist, dass Ietri noch nie mit einer Frau zusammen war, jedenfalls nicht auf die Art und Weise, die er
vollkommen
nennt. Keiner in der Kompanie weiß das, und wenn sie es herausbekämen, wäre das eine Katastrophe. Nur Cederna weiß es, er selbst hat es ihm eines Abends in der Bar erzählt, als sie beide etwas angeheitert und zu vertraulichen Geständnissen aufgelegt waren.
    «Vollkommen? Heißt das, dass du noch nie gevögelt hast?»
    «Schrei nicht so!»
    «Da steht’s aber schlecht um dich, Alter. Wirklich schlecht, verdammt.»
    «Ich weiß.»
    «Wie alt bist du?»
    «Zwanzig.»
    «Verflucht. Da hast du dich um die besten Jahre betrogen. Hör mir gut zu jetzt, das ist wichtig. Das Ding da unten ist wie ein Gewehr. Eine Fünf-Sechsundfünfziger mit Stahlschaft und Laserzieleinrichtung.» Cederna hat eine unsichtbare Waffe im Arm und legt sie auf den Freund an. «Wenn du nicht daran denkst, das Ding hin und wieder zu ölen, dann hat es irgendwann Ladehemmung.»
    Ietri schaut in sein Bierglas. Er nimmt einen zu großen Schluck, fängt an zu husten. Gehemmt. Er ist ein gehemmter Typ.
    «Sogar Mitrano hat hin und wieder einen Fick», sagte Cederna.
    «Er zahlt dafür.»
    «Das könntest du auch.»
    Ietri schüttelt den Kopf. Es passt ihm nicht, für eine Frau zu zahlen.
    «Also wiederholen wir», ahmt Cederna die Stimme von Hauptmann Masiero nach. «Das ist überhaupt nicht schwierig, Obergefreiter. Folgen Sie mir aufmerksam. Sie treffen eine Frau, die Ihnen gefällt, Sie schätzen die Größe ihrer Titten und ihres Arschs ab – ich für mein Teil mag beides am liebsten groß, aber es gibt da gewisse Perverslinge, die mögen Frauen, die mager sind wie ein Hering –, dann gehen Sie auf sie zu, erzählen irgendeinen Schwachsinn, und schließlich fragen Sie sie höflich, ob sie Lust hat, sich mit Ihnen zurückzuziehen.»
    «Ob sie Lust hat, sich zurückzuziehen?»
    «Na ja, vielleicht nicht genauso. Das hängt von der Situation ab.»
    «Also, ich weiß schon, wie es geht. Aber ich hab die Richtige noch nicht getroffen.»
    Cederna schlägt mit der Faust auf den Tisch. Das Besteck scheppert auf den leeren Tellern, von denen sie Pommes frites

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