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Der menschliche Körper

Der menschliche Körper

Titel: Der menschliche Körper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paolo Giordano
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denn plötzlich so zart besaitet?
Genauso
versuchen sie uns dranzukriegen, mit Schuldgefühlen. Sie machen dir schöne Augen, und dann töten sie dich.»
    Aber Ietri ist nicht überzeugt. Seiner Ansicht nach war das bloß eine Familie von armen Teufeln. Er nimmt die nächste Serie Crunches in Angriff, obwohl der Schmerz im Rücken noch nicht ganz abgeklungen ist. Er dreht den Rumpf um neunzig Grad abwechselnd nach rechts und nach links, um die schräge Bauchmuskulatur mit zu kräftigen.
    «Und dann, hast du nicht gesehen, wie sie die Frauen behandeln?», fragt Cederna.
    «Was hat das damit zu tun?»
    «Halt die Fersen unten, Alter. Und ob das was damit zu tun hat.»
    «Das ist ihre Kultur.»
    «Ich hab die Nase voll von dieser Geschichte mit den Kulturen. Wenn eine Kultur ekelhaft ist, dann ist sie ekelhaft. Da gibt’s nichts weiter zu sagen. Wie japanisches Essen.»
    «Japanisches Essen?»
    «Vergiss es. Früher oder später muss irgendwer den Barbaren die Zivilisation bringen. Und wenn’s im Guten nicht geht, dann machen eben wir das. Halt die Fersen unten!»
    Ietri kann fast nicht mehr. Zwölf Crunches hat er noch, bis er fertig ist. «Ich weiß nicht, ob wir dafür hier sind», stößt er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
    «Natürlich. Stell dir mal vor, man würde deiner Mutter eine solche Burka anziehen. Die Araber sind noch schlimmer als die Chinesen, lass dir das gesagt sein. Und auch als die Juden.»
    Sie tauschen den Platz. Ietri hat versucht, sich seine Mutter in einem langen schwarzen Gewand vorzustellen. Sie sähe nicht viel anders aus als jetzt. Er hat eine Frage im Kopf, wagt aber nicht, sie zu stellen. Jedes Mal, wenn Cederna den Oberkörper hebt, haucht er ihm ins Gesicht. Verdammt, wie stark er ist, Ietri hat Mühe, seine Füße unten zu halten. Das auf den Bauch tätowierte Indianergesicht zieht sich zusammen und dehnt sich aus. Schließlich wagt er es: «Hör mal, kann ich dich was fragen?»
    «Schieß los, Jungfräulein.»
    «Was genau bedeutet Jude?»
    Cederna runzelt die Stirn, hört aber mit dem Training nicht auf. «Was für eine bescheuerte Frage ist das denn?»
    Ietri macht gleich einen Rückzieher. «Nichts. Vorhin hast du von den Juden geredet, und ich … das war nur eine Frage, das ist alles.»
    «Das ist eine idiotische Frage. Ein Jude ist ein Jude, oder etwa nicht?»
    Da, er ist rot geworden. Er wusste, dass er das besser nicht gesagt hätte. Aber er trägt diese Frage schon lang mit sich herum, und er weiß auch nicht, weshalb, aber spontan flößt Cederna ihm Vertrauen ein. Immer wieder fällt er darauf rein. «Ich weiß», versucht er es wiedergutzumachen, «das heißt die ganze Geschichte mit Hitler und den Konzentrationslagern und so. Aber … ich will sagen … bei einem Schwarzen sieht man, dass er schwarz ist. Aber wenn einer Jude ist, woran erkennst du das?»
    Cederna pausiert keuchend. Er stützt sich auf die Unterarme. Dann spuckt er zur Seite aus und schaut gedankenverloren in den Himmel. «Es gibt da nichts Bestimmtes, das weiß man eben und basta. Einige sind Juden, und die anderen wissen das.» Dann fällt ihm etwas ein, seine Augen leuchten einen Moment lang. «Und natürlich erkennt man es am Nachnamen.»
    «Am Nachnamen?»
    «Sicher. Zum Beispiel … Levi. Das ist ein jüdischer Nachname.»
    «Nur daran? Nur am Nachnamen?»
    «Nur daran, sicher. Was hast du denn gemeint?»
    Cederna macht weiter mit seinen Crunches. Ietri fühlt, wie sich die Sehnen unter seinen Händen straffen und dann wieder entspannen. «Du hast ja wirklich überhaupt keine Ahnung, Jungfräulein.»
    «Cederna?»
    «Hm.»
    «Könntest du bitte aufhören, mich Jungfräulein zu nennen?»
    «Nicht im Traum.»
    «Wenigstens vor den anderen.»
    «Ich hör damit auf, wenn du kein Jungfräulein mehr bist,
Jungfräulein

    Ietri beißt sich auf die Lippen. «Apropos», sagt er.
    «Was?»
    «Nichts.»
    «Jetzt hast du schon angefangen. Raus damit.»
    Er kann einfach den Mund nicht halten, verdammt! Woher hat Cederna diese Macht, ihm die Wahrheit aus der Nase zu ziehen? Er ist schon einmal reingefallen, als er ihm von den Mädchen erzählte, und jetzt fühlt er, dass er im Begriff ist, noch einen falschen Schritt zu tun, aber er kann es nicht lassen. «Was hältst du von Zampa?»
    Der andere macht mit einem Schlag halt. «Oh, oh, oh! Vorsicht! Und warum fragst du mich das?»
    «So. Aus Neugier.»
    «Das Jungfräulein hat sich in die Kameradin verliebt!»
    «Pssst! Komm, ich meine es

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