Der menschliche Körper
Form ihrer Waden zu erinnern, an ihre Konsistenz. Er ist sich ziemlich sicher, dass er bei einer Gelegenheit hineingebissen hat und dass er es zu fest getan hat, was eine wütende Reaktion zur Folge hatte.
In der Krankenstation zieht Irene die Fleece-Jacke aus, die er ihr geliehen hat (sie hat ihm zu verstehen gegeben, dass sie wer weiß was für Erfahrung im Mittleren Osten hat, ist aber für die Kälte in der Wüste nicht ausgerüstet, ein merkwürdiger Umstand, der die Zweifel des Oberleutnants schürt), sie wirft sie beiseite, ohne sie zusammenzulegen, und setzt sich auf den Schreibtisch. «Ich bezweifle, dass ich schlafen kann. Jetzt, wo ich weiß, dass in der FOB Schlangen frei herumkriechen», sagt sie.
Die Soldaten haben Beifall geklatscht, als sie in das Betonhäuschen trat. Sie verlangten, dass sie ein Gruppenfoto von ihnen rund um die Schlange macht. Egitto hielt sich abseits.
«Wir bräuchten eins deiner Biere zum Feiern.»
Offenbar hat sie auch im Kühlschrank geschnüffelt. «Die gehören dem Obersten. Ich weiß nicht, ob er einverstanden wäre.»
Irene springt vom Schreibtisch herunter. «Dem Obersten, sicher. Ich wette, er wird nichts sagen.»
Sie beugt sich über den Kühlschrank, und sich ins Dreiviertelprofil umdrehend, wirft sie ihm einen provokanten Blick zu. Egitto nimmt die Dose Bier, die sie ihm reicht. Als Irene die ihre öffnet, fließt Flüssigkeit heraus, rinnt ihr über die Finger, sie schleckt sie auf wie eine gierige Katze. «Erinnerst du dich, wie wir es auf dem Fest von Fornari gemacht haben?»
Einmal haben sie dem Verlangen in der Dusche eines ihrer Freunde nachgegeben. Ein blitzartiger Koitus, einer der Höhepunkte der Tabuverletzung in Egittos Sexualleben. Ja, er erinnert sich.
«Das ist einige Zeit her, wie?»
Irene Sammartino hat nichts mehr von dem impulsiven und kapriziösen Mädchen, das er kannte. Sie ist eine gewandte Frau geworden, eine, die ihre Gedanken in Dari übersetzen kann, um im nächsten Augenblick, aus einer Bierdose trinkend, hemmungslos zu flirten.
«Ja, wirklich lange Zeit», antwortet Egitto einsilbig.
Später putzen sie sich vor dem Zelt die Zähne. Keiner von beiden hat Lust, bis zu den Duschen zu laufen, also nehmen sie ein Fläschchen Mineralwasser. Die ausgespuckte Zahnpasta bildet kleine weiße Schaumfleckchen neben der Einfassungsmauer. Egitto bekommt etwas davon auf die Jacke, sie wischt es mit dem Handrücken ab. Sie lachen gemeinsam darüber. Schnell wünschen sie einander gute Nacht und legen sich zu den beiden Seiten der Plane nieder. Egitto macht sofort das Licht aus.
Aber er kann nicht schlafen. Er sieht noch einmal die Jungs rings um den verstümmelten Kadaver der Schlange und Irene, die die Lasche an der Bierdose hochzieht, das Bier, das ihr über die Finger läuft. Er weiß genau, dass sie nur wenige Meter von ihm entfernt ist, und er kennt die Bedeutung des Blicks, den sie ihm kurz zuvor zugeworfen hat – das Wort, das sich in seinem Geist einstellt, ist
Bereitwilligkeit
, und auch das Wort
Absicht
geht ihm durch den Kopf.
Etliche logische Verknüpfungen überspringend, ertappt er sich auf einmal dabei, dass er sich ein Eheleben mit Irene Sammartino ausmalt. Er stellt sie sich als eine Frau vor, die jede Menge Papierkram mit sich herumschleppt, den Raum mit Illustrierten und stapelweise Papier zupflastert und ihre Kleider auf dem Sofa liegenlässt. Egitto ist nicht verärgert darüber, nicht allzu sehr, er beobachtet sie durch die Spalten und Ritzen dieser Unordnung hindurch. Er untersucht ihre anatomischen Vorzüge und Fehler, wie es ihm in der Zeit, als sie zusammen waren, unterlief, als ob man über Attraktivität und Anziehung so entscheiden könnte, abstrakt, anhand einer Tabelle mit zwei Rubriken.
So weit es also mit ihm gekommen – eine Frau pingelig in imaginäre kleine Kästchen einzuteilen, seit langer Zeit die einzige Frau, die das Zimmer mit ihm teilt, eine Frau, die er niemals wiederzusehen gewünscht hätte. Das Schicksal oder wahrscheinlicher eine Forcierung desselben hat sie dorthin gebracht, und jetzt sollen die naheliegenden Konsequenzen gezogen werden. Aber dieser Mechanismus gefällt dem Oberleutnant nicht. Er wird sich nicht in Schwierigkeiten bringen, nicht wegen Irene Sammartino.
Auf das, was dann geschieht, ist er gefasst. Irene bewegt sich vorsichtig, aber die Stille ist zu tief, als dass Egitto nicht das Geräusch des Reißverschlusses erkennen würde, dann das Rascheln des Schlafsacks, das Tappen
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