Der menschliche Körper
abgetrennten Kopf. Ohne Gehirn, beginnt der lange Schwanz des Reptils wie verrückt um sich zu schlagen, sich um sich selbst zu drehen und das triefende Ende hin und her zu wälzen. Torsu nähert sich ihm langsam, wie hypnotisiert. Der abgetrennte Schlangenleib wird von einem noch heftigeren Krampf erfasst und streift Torsus Wade, als wolle das Tier seine nicht mehr vorhandenen Zähne hineinschlagen. Torsu entfährt ein Schrei.
Dann beruhigt sich das schlüpfrige Wesen. Ein paar Sekunden lang bleibt es pulsierend auf dem Sand liegen, bevor es ganz erlischt. Der Soldat ist gezwungen, in dem Moment, als das Tier stirbt, die Augen zu schließen.
«Wow!», schreit er. «Verdammt! Wow!» Vor Aufregung hämmert ihm das Herz in der Brust.
In den ersten Tagen in Gulistan haben die Jungs sich behelfsmäßige Spinde eingerichtet, um die Handtücher aufzuhängen: einfache S-Haken in das Stahlgitter der Hesco Bastions gehängt. Torsu nimmt seine Sachen ab, hängt sie über das Zeug von di Greco und zieht den Stahlhaken heraus. Er kehrt zu dem Schlangenkadaver zurück, beugt sich hinunter und schlägt den Haken in den Schwanz. Vom Boden hochgehoben, reicht ihm das verstümmelte Reptil bis zur Hüfte. Es scheint ihm etwas zu dünn, als dass es einen Menschen erwürgen könnte, aber Torsu weiß, dass die Natur voller Überraschungen sein kann, man muss auf alles gefasst sein. Auf jeden Fall ist es eine stattliche Beute.
Er hängt das tote Reptil in der Ruine auf, in der Mitte der Wäscheleine. Dann lässt er sich, plötzlich müde, auf einen Stuhl fallen und bewundert es ausgiebig. Noch nie hat er etwas so Abstoßendes und zugleich Schönes gesehen. Als Kind hat er Flusskrebse gefangen, und da ist es schon mal vorgekommen, dass er eine Muräne oder eine Flussnatter erwischte, aber die waren kurz und scheu, gar kein Vergleich zu dem Tier hier, das in der Schläfrigkeit des frühen Nachmittags friedlich vor seinen Augen baumelt. Es ist majestätisch, das ist es. Da fällt ihm ein, dass man bei ihm zu Hause sagt, jede Schlange sei Hüterin eines Schatzes.
Ietri und Cederna trainieren auf einem Brett in der prallen Sonne. Sie haben irgendwie zusammengebastelte Hanteln, und jetzt arbeiten sie sich an den Bauchmuskeln ab: normale Crunches mit Seitdrehung, sodass alle Muskeln beansprucht werden. Der Körper muss systematisch Stück für Stück gemeißelt werden, viele Leute wissen das nicht. Das sind diejenigen, die im Fitnessraum immer dieselben drei oder vier Übungen wiederholen. Sie wissen nicht, was sie tun.
Die Soldaten halten sich gegenseitig an den Füßen fest, und jetzt macht Cederna gerade eine Verschnaufpause. Wenn Ietri sich aufrichtet, spürt er den scharfen Geruch des Kameraden: Schweiß, vermischt mit dem kräftigen Atem, den man bei körperlichem Training bekommt. Das ist nicht unangenehm, jedenfalls nicht zu sehr.
«Du strengst dich zu wenig an, Jungfräulein. Du wirkst wie ein Sack Kartoffeln. Was ist los?»
Ietri zieht vor Erschöpfung eine Grimasse. Er ist schlechter Laune. Seit der Säuberungsaktion im Dorf fühlt er sich neben der Spur. In der Nacht hat er Angstträume, die er bei Tag nicht abschütteln kann. «Ich weiß nicht», sagt er. «Ich mag nicht hierbleiben. Vielleicht ist es das.»
«Wenn es darum geht, da kann ich dir verraten, dass
keiner
hierbleiben mag.»
«Du gehst in einer Woche in Urlaub.»
Ietri löst die Finger, die er hinter dem Kopf verschränkt hat, um sich beim Aufsetzen zu unterstützen. Bei achtzig hört er auf, den Rücken flach auf dem Brett aufliegend. Sein Bauch pulsiert rasch. Der stechende Schmerz auf Höhe der Lendenwirbel zeigt ihm an, dass er gut trainiert hat. «Cederna?»
«Was ist?»
«Erinnerst du dich an das Haus, das wir gestern gestürmt haben?»
«Haus nennst du das? Eine elende Bruchbude war das.»
«Vielleicht war es nicht richtig, da so einzudringen. Wir haben ihnen die Tür eingetreten, diesen armen Kerlen.»
«Nein,
du
hast die Tür eingetreten.»
«Na ja, das spielt keine Rolle.»
«Und wer schert sich um die Tür?»
«Das war bloß eine Familie.»
«Was zum Henker sagst du da? Wie willst du das wissen? Diese Drecksäcke von Taliban tarnen sich. Womöglich hatte der Typ eine Stange Dynamit im Arsch versteckt, und wir haben es nicht einmal gemerkt.»
«Mattioli hat ihn an den Haaren geschleift. Das war nicht nötig.»
«Er wollte nicht vorwärtsgehen.»
«Er war verschreckt.»
«He, was zum Teufel packt dich denn, Jungfräulein? Was bist du
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