Der Metzger holt den Teufel
Privatfahrzeuge, und draußen laufen dunkle Schatten durch die Nacht: beispielsweise in Gestalt einer zwischen zwei unbesetzten Autos hockenden Einzelperson.
Dunkel wird es dann auch hinter den straßenseitig gelegenen Fenstern zwei Stockwerke höher.
»Das Licht ist aus. Es geht los!«, erklärt Irene Moritz.
Über ihr Privathandy informiert sie telefonisch Gerhard Kogler, wenig später kommt der Wagen Herbert Homolkas aus der Parkgarage, eines der beiden Privatfahrzeuge um die Kurve und beim Metzger das Herzflattern.
Und dass es losgeht, ist allein Gerhard Kogler zu verdanken. Denn er hat, wie ausgemacht, als notwendige taktische Gegenveranstaltung im Kommissariat um dreiundzwanzig Uhr zur letzten offiziellen Dienstbesprechung dieses Tages geladen. Thema: das Verschwinden Sophie Widhalms.
Geplant war, Irene Moritz krankheitsbedingt zu entschuldigen und zu erklären, man müsse sich die Wohnung der Vermissten vornehmen, sogar mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln nach ihr suchen, da der dringende Verdacht bestünde, Sophie Widhalm sei aufgrund ihrer Erlebnisse und Verwicklungen das nächste Opfer. Gerhard Kogler hätte den Ton angeben können und sich damit wenigstens ein kleines bisschen seiner geliebtenIrene Moritz ebenbürtig gefühlt, auch Josef Krainer wäre es endlich ungestört möglich gewesen, so zu tun, als hätte er etwas Bedeutsames zu sagen, ja, und Herbert Homolka hätte den Eindruck vermittelt bekommen, sein Hinters-Licht-Führen wäre von Erfolg gekrönt, und man tappe weiterhin im Dunkeln.
Wie gesagt, so schön hatte man sich das vorgestellt. Denn mittlerweile ist es dreiundzwanzig Uhr fünfzehn, und alles scheint ganz anders zu laufen.
Irene Moritz, Willibald Adrian Metzger und das aus dem anderen Privatfahrzeug entstiegene Team der Spurensicherung, geleitet von Bernd Domitkal, betreten das Stiegenhaus und schließlich den zweiten Stock. Noch bevor sie die Wohnung Herbert Homolkas erreichen, bleibt Irene Moritz plötzlich stehen, starrt auf eine Eingangstür und ballt ihre Hände zu Fäusten: »Er ist ihr Nachbar, er …«
»Wie bitte?«
»Sandra Kainz, hier wohnt Sandra Kainz! Die junge Frau im Rollstuhl, die uns auf die Hinweise im Internet aufmerksam gemacht hat. Zufall? Wohl eher nicht. Dieser Teufel hat auch sie benutzt, so wie uns. Es ist unfassbar.«
Zügig geht sie eine Tür weiter, stützt sich mit beiden Händen ans Türblatt und flüstert: »Du bist tot!«
Dann betreten sie eine stickige Wohnung. Das Licht im Vorraum erhellt ein bieder gehaltenes Interieur. Auch Wohn- und Schlafzimmer eröffnen denselben gewöhnlichen und gleichzeitig aufgeräumten Eindruck. Nichts deutet auf einen perfiden, höchst organisierten Mörder hin. Aus der Küche dringt ein Geruch nach Tierhaltung, ein verdrecktes Katzenklo samt zwei zur Hälfte geleerten Futterschüsseln erklären, warum.
»Bis auf die Futterschüsseln sieht das hier alles relativ unbewohnt aus!«, stellt Irene Moritz fest und setzt hinzu: »Wo versteckst du dein zweites Gesicht, wo?«
Die Spurensicherung macht sich ans Werk und Willibald Adrian Metzger davon. Er hat genug gesehen und vor allem gerochen. Ihn quält die Sorge um seine Schwester. Was ist, wenn wir hier keine Hinweise auf sie finden, wenn es bei Gerhard Kogler Probleme gibt? Im Stiegenhaus geht er nervös den Gang entlang, betrachtet abermals die Türschilder, entziffert aufmerksam die weiteren Namen, kommt zurück, geht vorbei an der Unterkunft Herbert Homolkas und wird stutzig. Die Nachbartür ist unbeschriftet, nur ein Auf kleber mit der Aufschrift »Keine Reklame!« haftet am Zeitungsschlitz.
»Es sind zwei!«, stürmt er zurück, an Irene Moritz vorbei und direkt ins Schlafgemach: »Ich glaub, es sind zwei Wohnungen!«
Wie erwartet, reagiert der mannshohe Spiegel neben dem Kleiderschrank auf die Klopfgeräusche des Restaurators. Hohl ist sein Klang. Problemlos lässt er sich hinter den Kasten zur Seite schieben.
Nach Irene Moritz, die ihr gezücktes Mädchen fest umklammert hält, und den ebenso ausgestatteten drei Herren der Spurensicherung betritt Willibald Adrian Metzger ein großes Zimmer. Jetzt steckt ihm auch ohne Einladung zum Essen ein Würgen in der Kehle. Vor aller Augen eröffnet sich eine Dokumentation des Grauens. Mitten im Raum steht vor einer großen Spiegelwand lebensgroß eine Schaufensterpuppe, deren Kehle von unzähligen Schnitten zerfurcht ist. Daneben befinden sich ein Schminktisch und eine Art Garderobe mit einer Vielzahl
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