Der Metzger kommt ins Paradies: Kriminalroman (German Edition)
heißt vielleicht, sich noch weit vor ihrem Untergang nicht mehr in ihr zurechtfinden zu wollen, da nutzt ihm sein Restauratorenkeller auch nichts.
»Sagst du mir bitte rechtzeitig, bevor willst du dich anschließen irgendwo indigene Volk!«, versucht Danjela ihn die nächsten Tage aufzumuntern. »Und rufst du gefälligst zurück Schulze, hat schon dreimal gesprochen auf Anrufbeantworter, will er erfüllen alle Wünsche für Werkstatt auf Kosten von Polizei. Und fährst du zu Dolly, weil braucht sie Hilfe wegen umbauen Schlafzimmer von ihre Mutter in Kinderzimmer! Und machen wir morgen Ausflug, fahren wir mit Trixi und Lilli in Freibad.«
»Nein, Danjela, morgen fahren wir in kein Freibad!«, ist dann die Antwort des Restaurators. »Morgen fahren wir woanders hin, es gibt wichtigere Dinge.«
Alles
Gestern hat er zum ersten Mal aufstehen dürfen, heute erwarten ihn die ersten Schritte. Schwach sind seine Beine, müde sein Körper, unendlich müde, als würde er endlich jene Ruhe einfordern, die ihm zeit seines Lebens nicht zuteilwurde. Auch nach den unzähligen Verhören musste er noch mehrmals seine Geschichte erzählen, den Schwestern, Ärzten, einigen Journalisten. Viele Menschen haben ihn besucht, auch Angela. Er will ihr verzeihen können, irgendwann.
Man wird ihn, nach alldem, was er erleben musste, nicht fallenlassen, wurde ihm versprochen.
»Schaffen Sie das?«, greift ihm ein Pfleger fest unter die Achseln. »Wir gehen nur ein paar Schritte, hinüber zum Rollstuhl, und dann führ ich Sie ein wenig in den Hinterhof hinaus ins Grüne.«
Tief sind seine Atemzüge, herrlich ist die Luft, fast türkis, wie das Meer in seiner Heimat, ist der Himmel.
»Ich übergebe Sie jetzt, Sie haben Besuch.«
Kurz bleibt der Rollstuhl stehen.
»Nimmst du sie bitte, aber fest, ich brauch beide Hände«, hört er eine bekannte weibliche Stimme, sieht er, wie ihm sein Leben zurück in die Arme gelegt wird. Wie ein reinigender Regen fallen seine Tränen, Darya lächelt.
»Dolly, du …«, will er beginnen, doch ihm versagt gerührt die Stimme.
»Und wenn alles gutgeht, kommst du dann übernächste Woche nach Hause.«
»Wo zu Hause?«, fragt er.
»Bei uns, Noah, bei Darya und mir!«
Abfahrbereit steht der Pritschenwagen vor der Tür.
»Um Gottes willen, bist du rasiert, schaust du aus wie fremde Mann?«, begrüßt Danjela Hausmeister Petar Wollnar. Es wirkt also Wunder, das Entfernen eines konsequent getragenen Dreitagebartes, ebenso wie das Überstreifen eines gebügelten Polo-T-Shirts: »Trittst du wieder ein in katholische Kirche, oder was bist du aufgetakelt wie Firmling?«
Danjela also ist zu Scherzen aufgelegt, da hat sie allerdings, nach kurzer Fahrt zur Werkstatt, den aus seinem Gewölbekeller heraustretenden Willibald noch nicht gesehen.
»Ist, ist, ist das funkelnagelneue Hemd und neue Sakko, sieht gut aus, aber warum hast du gekauft ohne mich? Und riechst du nach Rasierwasser?«, stammelt sie.
Der Metzger allerdings bringt gar kein Wort heraus. Blass ist sein Gesicht, feucht und zittrig sind seine Hände, und beim Ablegen des Jacketts sind sie unübersehbar, die mächtigen Schweißränder unter seinen Achseln.
»Warum geht dir nix gut? Sagst du mir bitte, wo fahren wir hin?«
»Psssst!«, ist alles, was der Metzger zustande bringt.
Hinaus aus der Stadt geht die Fahrt, wolkenlos ist der Himmel, ein leichtes Lüftchen bringt den Pritschenwagen ins Schaukeln, Danjela ist, obwohl sie flankiert von zwei ihr an sich bekannten Menschen in vertrauter Umgebung sitzt, mulmig zumute.
Die Häuser lichten sich, die Route führt eine Bundesstraße hinaus durch hohe Sonnenblumenfelder, dann durch ein Waldstück, hinaus auf eine weite Wiese.
Und weg ist es mit einem Schlag, das mulmige Gefühl der Madame Djurkovic, übergangslos abgelöst von einer ausgewachsenen Übelkeit.
»Will ich jetzt gar nix denken, was ist theoretisch möglich«, flüstert sie.
»Ich auch nicht!«, antwortet der Metzger, Tropfen auf der Stirn, einen dunklen Rand am Kragen und nun auch flächendeckend kleine nasse Kreise und Flecken auf seinem Hemdstoff.
»Wäre besser gewesen so wie Petar Poloshirt, sieht man nix Transpiration, weil glaub ich, wird noch mehr«, versucht Danjela nun wieder Herrin ihrer Gefühle zu werden, und gut ist das.
Ein kurzes Stück noch einen Feldweg entlang, dann bleibt der Pritschenwagen stehen.
»Bis später!«, verabschiedet Petar Wollnar die beiden.
»Herzlich willkommen, ich bin der Erich«, begrüßt
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