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Der Metzger sieht rot

Der Metzger sieht rot

Titel: Der Metzger sieht rot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Raab
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daraus resultierenden phantasielosen englischen Rasen ist kein Kraut gewachsen, und trotz der geschmacklosen, bedenklichen Reden dieser an noch bedenklicheren Vorbildern orientierten politischen Emporkömmlinge und Geschichtsverweigerer der Gegenwart verstauben die Mistgabeln samt Schaufeln, und die Straßen bleiben leer – was man von den leeren Kreisen am Beginn manch verheerender Zeilen auf demokratischen Stimmzetteln leider nicht behaupten kann.
    Dass für etwaige Heldentaten an der Menschenrechtsfront nicht unbedingt eine Mistgabel vonnöten ist, wird der Metzger noch beweisen, eine gewöhnliche Radgabel kann da nämlich auch schon ganz schön was anrichten!
    Während Zorn nun eine primitive Äußerung emotionaler Mittellosigkeit darstellt, ist Wut durchaus ein ernst zu nehmender Genosse, da kann viel weitergehen, da wurden schon viele folgenschwere Entscheidungen getroffen, und nicht unbedingt nur die schlechtesten.
    Ohne Wut wäre Willibalds Mutter gar nicht auf die Idee gekommen, Metzgers Vater nach ertapptem Jagdtrieb unter fremden Schürzen dermaßen die Hosen runterzuziehen, dass für sie die Pension schließlich keinen Grund zur Sorge darstellte, wie das sonst durchaus üblich ist, egal ob verheiratet, geschieden, verwitwet oder sonst wie allein stehend. Geblieben ist ihr ein Lebensabend in Reichtum ohne möglichen inkontinenten Bettnachbarn.
    Mit Wut wäre es dem Wollnar vielleicht gelungen, trotz des vom Zahnarzt seiner nunmehrigen Exfrau durchgeführten Komplettraubes seines ehemaligen Lebens, einen Brückenschlag zu seinen Kindern herzustellen. Geblieben ist ihm ein Weihnachts- und Geburtstagstelefonat und ein nicht gerade einfacher einziger Freund.
    Der nimmt die Aufforderung der Schwestern, doch endlich nachhause zu fahren, widerwillig an und erhält eine wärmende innere Brise, wie sich automatisch die Schwingtür zur großen Aula des UKHs öffnet, und schlafend mit vorgeneigtem Kopf Petar Wollnar auf einem der Plastiksessel kauert.
    Warten kann er, der Wollnar, ihm rennt in diesem Leben nichts mehr davon, schon gar nicht die Zeit. So fährt er auch Auto.
    Der Willibald allerdings registriert eine unbekannte Unruhe in sich. Nervös wippen seine Füße, während Petar Wollnar, bedächtig seinen Pritschenwagen steuernd, die heimatliche Zieladresse anpeilt. So wippende Füße können einen ganz schön nervös machen, und obwohl der Wollnar hochkonzentriert die Straße im Auge hat, ist sein peripheres Sehen ausschließlich mit dem Gewackel auf seiner Beifahrerseite beschäftigt. Peripheres Sehen ist eine verdammt heimtückische Sichtfeldverengung, da sind Scheuklappen, Taucherbrillen und Weltreligionen geradezu mit Weitblick gesegnet. Während nämlich der Sehsinn weiter nach vor gerichtet bleibt, begibt sich die Aufmerksamkeit auf seitliche Exkursionen, der Sehsinn wird zum Starr-Sinn, und Starrsinn marschiert ja bekanntlich hirn- und völlig rücksichtslos immer in dieselbe Richtung, da muss schon ein ernst zu nehmendes Hindernis im Weg stehen. Zum Beispiel eine rote Ampel mit einem gesittet davor anhaltenden alten Mercedes.
    Das Aufeinandertreffen zweier Stoßstangen erweist sich als höchst effizient, was die therapeutische Wirkung bei peripherem Sehen betrifft, denn der starre geistlose Blick des Petar Wollnar wird in Windeseile von dermaßen bewegten Pupillen zurück in eine nach vor gerichtete Aufmerksamkeit katapultiert, so bewegen sich die Pupillen beim polnischen Hausmeister für gewöhnlich nur in Phasen traumgebeutelten Schlafs.
    Bewegt hat sich dann kurzfristig gar nichts mehr, weder die wippenden Beine des Metzger noch eines der beiden Fahrzeuge, und schon gar nicht die beiden Fahrzeuglenker.
    Erst nach dieser lange andauernden Schrecksekunde schält sich ein älterer Herr aus dem ebenso älteren Mercedes, der in Anbetracht des Herrn nun eine beinah jugendliche Ausstrahlung an den Tag legt, und kommt mit wankendem Schritt auf den Pritschenwagen zu, weit hat er da gar nicht gehen müssen. So besorgniserregend wankend ist dieser Schritt, dass der Metzger anfangs annimmt, da könnte jetzt doch etwas Gröberes passiert sein, eigentlich unmöglich in Anbetracht der äußerst gemütlichen Fahrgeschwindigkeit des Petar Wollnar. Wie dann allerdings der Herr kurz bei der eigenen Rücktür Halt macht, um von der Rückbank einen Stock als rettende Gehhilfe zu entnehmen, ist der Metzger erleichtert – über den Nichtbesitz eines Führerscheins in Anbetracht der Fahrtüchtigkeit diverser

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