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Der Metzger sieht rot

Der Metzger sieht rot

Titel: Der Metzger sieht rot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Raab
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allerdings ist der Hund seiner Danjela, da erübrigt sich die Frage nach einer Sympathienotwendigkeit, und Edgar hat den Metzger ins Herz geschlossen, ohne dass dieser das eigentlich verdient hätte, da erübrigt sich die Sympathiefrage abermals. Zu rührseligen Gegenliebebekundungen hat sich der Metzger bis jetzt zwar noch nicht hinreißen lassen, völlig wirkungslos sind diese tiefschwarzen Augerln allerdings nicht geblieben. Einzig die Berührungshemmschwelle ist beim Metzger noch durchaus als hoch zu bezeichnen, nicht aus physischer Angst, eher aus Angst vor physischen Konsequenzen: stinkende Hände, abgeschleckte Haut, angesabberte Bekleidung, gar nicht zu denken an die Haare. Er wird noch froh sein, dass ihm demnächst all das zuteil wird, der Metzger. So ein Hunderl kann nämlich, wenn das Frauerl abgängig ist, für den Zurückgebliebenen ein recht veritabler Platzhalter werden.
    Wie der Metzger auf jene Lade zusteuert, die ernährungstechnisch allein dem Hund zugeteilt ist, träufelt Edgars Speichel in schleimigen Fäden Richtung Küchenlaminat, dem Metzger graut vor der Vorstellung, den edlen Teppichen seiner Wohnung könnte demnächst genau diese feuchte Zuwendung zuteil werden, und beschließt kurzerhand, die erste Nacht als Hundehüter in Danjelas Wohnung zu verbringen. Kleidungstechnisch hat er ohnedies kommod Platz in der Djurkovic-Garderobe, und Zahnbürste hat er ja eine hier, die ist wie von Geisterhand am Tag nach seiner ersten Übernachtung in diesem Haushalt im Alibert aus einem Häferl mit der Aufschrift „have a nice day“ herausgewachsen, wie aus dem Glasregal daneben der Nassrasierer und das Tabak-Rasierwasser. Durchs Vorzimmer hört er den Straßenlärm, und während Edgar gierig und lautstark die entsetzlich duftende Nahrung zu sich nimmt, bemerkt der Metzger seinen leeren Magen. Die Butterkeks in der Brotlade erweisen sich als Rettung, allerdings nicht vor den flehenden, abermals mit einem Sabbern kombinierten, tiefschwarzen Augen. Während er abwechselnd einen halben Keks in seinen Mund schiebt und den anderen zu Boden fallen lässt, bemerkt er den roten Ledertimer auf dem Küchentisch. Aufgeschlagen.
    In Kalendern steht, was eigentlich nur deren Besitzer lesen dürfen, und trotzdem werden sie herumgeschleppt wie Trophäen der eigenen Organisiertheit mit der Botschaft „Ich hab mein Leben im Griff.“ Betritt ein Mensch mit einem Timer in der Hand einen Raum, weiß jeder, der ist beschäftigt, der hat Termine, der ist wichtig. Auch wenn nur drinnen steht: Mama anrufen, auf dem Heimweg Brot und Butter einkaufen, heute Abend nicht auf Desperate Housewives vergessen.
    In Danjelas Timer steht am Tag ihrer schweren Körperverletzung: Globuli mit Rufzeichen; Zusanne 14 Uhr; Kicker-Saurias-Fanklub, Beginn 20 Uhr, Alte Mühle.
    Was zu tun ist, braucht der Willibald gar nicht lange überlegen. Auch um es tun zu können, kostet es dem Metzger kaum geistige Anstrengung, trotz Ermangelung eines Timers und vor allem eines Mobiltelefons. Eine Person im Besitz des Letzteren, die dieses aber nicht mithat, oder dieses mithat, aber mit leerem Akku, oder dieses mithat und der Akku während des Telefonierens den Geist aufgibt, wird, was den Geist betrifft, mit dem leeren Akku auf viele Gemeinsamkeiten stoßen, so viel kann diese Person nämlich gar nicht nachdenken, dass ihr die benötigte Zahlenreihe einfällt. Nicht-Handybesitzer, wie der Metzger, wissen, sie wollen zum Beispiel den Pospischill anrufen, gehen zu einem Festnetzanschluss, egal, ob in Bangkok oder Burma, in eine Telefonzelle, egal, ob in Kairo oder Nairobi, und rufen einfach an, Punkt. Und den Pospischill anrufen heißt, an der Dienststelle probieren, zuhause probieren und im schlimmsten Fall am Handy. Drei Nummern für eine Person, kein Problem, wenn das Hirn in Übung ist. Ohne Übung kann dagegen eine Nummer für drei Personen, wie zum Beispiel für das Amt zur Erledigung offener Asylverfahren, für den Kundendienst großer Mobilfunkanbieter oder für die Servicestelle der Post, die Denkleistung sträflich überfordern.
    Kommissar Eduard Pospischill ist bereits zuhause.
    Ein schrilles „Pospischill!“ dröhnt aus dem Hörer.
    „Ja, hallo Trixi, ich bin’s, Willibald!“
    „Mein Gott, du Armer, das ist ja schrecklich, ich hab ja immer schon gewusst, dass dieser Fußball nichts Gutes macht mit den Menschen. Und der Danjela hab ich’s auch immer schon gesagt, dass das so schlecht zu einer Frau passt, dass das so derb wirkt und dass

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