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Der Metzger sieht rot

Der Metzger sieht rot

Titel: Der Metzger sieht rot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Raab
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das nicht gemeint. Ich meine, dass Sie mit mir reden in Anbetracht Ihrer eigenen Geschichte. Sie wissen doch, wer ich bin, oder?“
    „Ja schon, aber ich versteh nicht, was Sie meinen!“, antwortet der Metzger verwundert.
    „Sie müssen mich hassen!“
    „Wie bitte?“
    Willibald Adrian Metzger kann es nicht fassen. Da hat einer gerade seine Frau verloren, ist sichtlich am Ende und findet noch Worte für das Leid eines anderen. Das kann kein schlechter Mensch sein, dieser König, geht es dem Metzger durch den Kopf, bevor er meint:
    „Und was hat das, wer Sie sind, damit zu tun, dass irgendwelche Idioten unter dem Deckmantel des Fußballs ihren ganzen Hass, ihre Roheit und Verblendung unterbringen?“
    „Sie sind ein guter Mensch, wie heißen Sie?“
    „Metzger! Willibald Adrian Metzger!“, antwortet der Restaurator, dann setzt Johann König fort:
    „Sehr freundlich, was Sie da sagen, Herr Metzger, so ist es aber nicht. Ich bin schon mitschuldig, weil ich diesen Rechtsradikalismus und diese Fremdenfeindlichkeit im Fußball schon lange sehe und viel zu wenig dagegen unternommen habe, zu unaufmerksam war, um mit der entsprechenden Radikalität zu antworten.
    Ich wünsche Ihnen aus ganzem Herzen, dass Ihnen noch Zeit geschenkt wird mit Ihrer Frau und dass Sie diese Zeit, egal wie lang es sein wird, auch nutzen. Machen Sie’s besser als ich!“
    Dann läutet sein Telefon, und während der Metzger langsam den Flur Richtung Stiegenabgang verlässt, hört er Johann König mit brüchiger Stimme:
    „Eure Mama ist gestorben, vor drei Stunden. Fahrt vorsichtig und lasst euch Zeit!“
    Mit dem Sterben der Eltern beginnt ein anderes Leben. Wie unfassbar lange es dauert, innerlich mit dieser Entwurzelung leben zu lernen. Ganz von dieser Einsicht erfüllt, übermannt den Metzger die eigene Erinnerung, und aus seinem Heimweg wird eine stille Wehklage.

    Zuhause angelangt, erwartet den Willibald ein Chaos sondergleichen.
    Auf dem edlen Vorzimmerläufer begrüßt ihn ein riesiger Haufen, unvorstellbar, dass so ein Berg aus so einem kleinen Lebewesen herauskommen kann, sein linker Hausschlapfen liegt zerfetzt in Kleinteilen aus Schaumgummi, Stoff und Plastik in der ganzen Wohnung herum, und in den Wohnzimmerteppich wurde unter heftigem Einsatz scharfer Krallen ein Nestchen gebaut, um sich dann gar nicht darin, sondern in Rückenlage auf dem Chesterfieldsofa gemütlich auszustrecken. Es hat sich also als Fehler erwiesen, aus Zeitgründen Edgar gleich bei sich daheim zu lassen.
    Der Metzger entsorgt angeekelt, heftig fluchend mit mühevollen Reibebewegungen den Hundekot im Vorraum und zielt danach schweißgebadet mit dem übrig gebliebenen, noch intakten rechten Schlapfen auf den auf dem Sofa liegenden Edgar, der es ja bisher nicht einmal der Mühe Wert gefunden hat, den heimkehrenden Willibald gebührend zu begrüßen – so sieht das ein Mensch. Aus der Sicht des allein gelassenen, abermals nicht gefütterten Hundes ist so ein Hundehaufen auf dem Vorzimmerteppich allerdings sehr wohl die gebührende Begrüßung. Auch ein Schwanzwedeln muss man sich verdienen. Auf das pfeift aber der Willibald, denn pfeifend schlägt der Schlapfen auf dem Sofa ein, worauf ein jaulender Edgar mit eingezogenem Schwanz umgehend das Weite sucht und erst wieder hinter der Palme im Badezimmer hervorkriecht, als ihm aus der Küche unverkennbar jene Wohlklänge zu Ohren kommen, die beim Hantieren mit diversen Geschirrteilen entstehen. Die Bankrotterklärung für jede noch so berechtigte tierische Gekränktheit. Sabbernd hetzt Edgar in die Küche und bekommt nach routinierten Bettelritualen den entsetzlich duftenden Inhalt einer Dose Hundefutter. Und obwohl dieser Imbiss als Betthupferl gedacht ist, könnte er in Anbetracht der vorgerückten Stunde beinahe als Frühstück durchgehen.
    Willibald Adrian Metzger, der sich schon wieder hundeelend, niedergeschlagen, aber doch aufgekratzt fühlt und langsam den Eindruck bekommt, die kleinen weißen Djurkovic-Kügelchen schaden mehr als sie nutzen, schnappt sich seinen besten Rotwein und ertrinkt sich geduldig mit dem Oxhoft die herbeigesehnten schweren Lider. So eine Bouteille Rot erzählt noch immer die wirkungsvollsten Gute-Nacht-Geschichten, denn einige Zeit später gesellt sich zum Schnarchen des Hundes das weitaus ausgiebigere des Metzger.
    Das Läuten an der Tür, um sieben Uhr morgens, lässt den Tag zur Abwechslung mit einem unangemeldeten Pospischill-Besuch beginnen. Ausnahmsweise ärgert den

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