Der Metzger sieht rot
aber ihn als Beweis oder weiß Gott was zu verwenden, das ist unmöglich. Mit Ernsthaftigkeit würde uns da keiner zuhören, da kannst du Gift drauf nehmen!“
Willibald Adrian Metzger ist längst klar, dass selbst der Pospischill, so wie offenbar auch noch einige andere, glauben will, dass es genau so passiert ist: Kreuzberger vergiftet Owuso, Ultras-Truppe will Kreuzberger decken und eliminiert neugierige kroatische Spionin.
Vielleicht stimmt es ja auch, denkt sich schließlich der Metzger.
In Anbetracht seiner immer noch miesen Verfassung ist er ohnedies froh, wenn bald alles geklärt ist, denn in Wahrheit zählt nur eines: dass seine Danjela irgendwann wieder aufwacht. Und so an den Haaren herbeigezogen ist diese Lösung ja nun wirklich nicht.
Gedankenverloren nimmt er sich sein inzwischen beinah leeres Fläschchen und lässt erneut fünf Perlen in seine Hand fallen, fürsorgliche Djurkovic-Perlen. Das kommt vor, wenn alles aus den Fugen geraten ist, da weiß selbst der Metzger in seiner Organisiertheit nicht mehr: Hat er schon oder hat er noch nicht? Ganz abgesehen davon, dass er ohnedies diese Perlen unregelmäßig und weit über die Solldosis in sich hineinstopft. War es einmal fünf, dreimal fünf, einmal 15, irgendwas mit jede Stunde, er hat es längst vergessen. Was soll auch passieren, denkt er sich, schmecken ohnedies nur nach Zucker.
Wie kleine Augäpfel ohne Pupillen starren sie trotz ihrer Winzigkeit noch kurz zum Metzger empor, bevor sie ihr flüchtiges, unscheinbares Dasein in Willibalds Mund antreten, um sich dort schließlich endgültig aufzulösen.
Und wie der Metzger dann dieses Fläschchen mit dem Beschriftungsetikett in Richtung Kommissar zurück auf den Tisch stellt, klopft der Pospischill mit der Handfläche auf den Tisch.
„Ja, gibt’s denn so was! Jetzt weiß ich’s wieder! Kein Wunder, steht ja auch da!“
Der Pospischill starrt auf den Tisch.
„Was weißt du wieder?“, fragt der Metzger erstaunt über diesen Ausbruch.
„Na den lateinischen Namen des Gifts!“
„Was meinst du mit: Steht ja auch da!“
„Aconitum napellus!“, liest der Pospischill langsam vor, „Aconitum und irgendwas mit Aconitin hat er gesagt, der Gerichtsmediziner. Schau mal auf dein Fläschchen!“
24
Wieder war er da, dieser seltsame Fremde. Im Warteraum des UKHs hat sie ihn sitzen sehen.
Jetzt muss irgendetwas passieren, so geht es nicht weiter.
Nachdem nur zwei Patienten auf der Komastation lagen, und bei der zweiten Frau ausschließlich ein Name in die Liste der angehörigen, zugelassenen Besucher eingetragen war, konnte er nur zu ihm gehören, dieser eine Name. Ein so einmaliger Name, da hat er, was das Gefundenwerden betrifft, wirklich Pech, der Namensträger. Bei nächster Gelegenheit wird sie sich diesen Typen einmal näher anschauen.
Eigentlich ist es ja völlig unmöglich, dass irgendwer auf ihre Spur stößt, außer ihr Auftraggeber plaudert hinter ihrem Rücken, außer dieser Auftraggeber hat vor, nach vollendeter Regiearbeit auch bei ihr den Vorhang fallen zu lassen. Sie muss verdammt vorsichtig sein. Vertrauen ist eine heikle Angelegenheit. Wer hört schon all die Worte, die hinter den immer verschlossenen Vorhängen des gegenüberstehenden Geistes zwischen dem Ich und dem Ich in heimlicher Zwiesprache ausgetauscht werden? Oft nicht einmal das Ich selbst.
Ohne die Heimtücke des Vertrauens gäbe es keine Enttäuschung, ohne Enttäuschung keine Heimtücke. Das Vertrauen ist der perfekteste Jäger, es schleicht sich zuerst in deine Nähe, dann in deinen engsten Kreis bis hinein in dein Herz, und von dort schlägt es erbarmungslos zu. Wen das Vertrauen von innen heraus an der Achillesferse erwischt, der sitzt lebenslänglich hinter den Gittern des Argwohns.
Verdammt vorsichtig muss sie also sein. Nicht, weil sie Angst hätte vor den Gittern des Argwohns, die Achtsamkeit gegenüber den Menschen ist ihr oberstes Prinzip, Angst hat sie vor den Gittern einer Strafanstalt. Bevor sie dort landet, landet jemand unter der Erde und sei es auch nur sie selbst.
Bei ihrem letzten Telefonat mit ihm hat sie nach der Angelegenheit in der Alten Mühle gefragt, ohne von ihrer neuerlichen Begegnung mit diesem Metzger zu erzählen. Er hat gemeint, die Angelegenheit wäre erledigt, da war ihm jemand aus hohen Polizeikreisen noch einen Gefallen schuldig, und so wie es aussieht, werden die Folgen dieses Gefallens auf wundersame Weise genau die Richtigen zu Fall bringen. Nichts ist besser als ein
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