Der Metzger sieht rot
erhebt sich wie ein Geprügelter, streckt den Kopf auf den Gang und hört die Schwester:
„Es tut mir ja so leid, Herr König, aber Ihre Frau, Ihre Frau…!“
Und während er dem hektisch hinter der Schwester herlaufenden Herrn König nachblickt, rastet beim Willibald die Erinnerung beim Präsidentenfoto der Saurias-Vereinszeitung ein und ihn schaudert, während sein von der Aufmerksamkeit vernachlässigter Geruchssinn vom Geiste unregistriert genau denselben süßen Duft wie jenen aus der Spielergarderobe wahrnimmt. Nur was kann so ein Sinn schon ausrichten, wenn das erschütterte Hirn zur Gänze der Gedankenwelt ausgeliefert ist. Hoffen kann er, dass ihm im Speicherzentrum der Erinnerungen ein Plätzchen freigemacht wird, auf dass dieser Duft von dort irgendwann wieder hervorgekramt wird.
Erinnern wird er sich zwar schon noch, an dieses nebenbei gewitterte Lüftchen, der Metzger, nur halt viel zu spät.
22
So schnell hat der Pospischill auf seiner Dienststelle gar nicht „Äh“ sagen können, ist der Kurti Blaha auch schon wieder bei der Tür draußen gewesen. Nicht gerade ein Autoritätsbeweis, wenn nach einer Festnahme das Einzige, was wirklich fest in die Hand genommen wird, der Telefonhörer ist, aus unbändiger Wut. Richtig weiß sind die Finger geworden, so kräftig hat der Pospischill den Hörer umfasst, war auch besser so, denn bei einem lockereren Griff wäre er ihm glatt aus der schweißnassen Hand gerutscht.
Natürlich hat ein Kommissar einen Vorgesetzten, ganz im Sinne des Wortes, weil was dem Pospischill mit diesem Komplexler von Oberst Jung, Reinfried Jung, aus heiterem Himmel vorgesetzt wurde, grenzt an Sadismus. Oberst Jung verfolgte von Anfang an die Devise, alle unter sich möglichst alt aussehen zu lassen, mit dem pathologischen Harndrang, seine Belegschaft bei jeder auch noch so an den Haaren herbeigezogenen Gelegenheit bepinkeln zu können. Folglich wurde er nur mehr Oberst Pisser oder eigentlich „der Pisser“ genannt. Und wie der am Nebentisch sitzende Jungspund Kogler seinem Kommissar den zugehaltenen Hörer mit den Worten „der Pisser“ überreicht, hat der Pospischill schon das Schlimmste geahnt.
Es war aber schlimmer.
Kurti Blaha hat vergnügt zugesehen, wie der Kommissar immer zorniger wurde, aber gegen den Ärger nichts anderes tun konnte, als rot zu werden, bis auf die Hand natürlich. Nach dem Telefonat hat der Pospischill nur noch ein „Schleich dich!“ als Verabschiedung über die Lippen gebracht. Dem Kurti Blaha war’s erstens wurscht, er wäre auch ohne Gruß gegangen, und zweitens hatte er sich ja bereits erhoben, da war der Pospischill noch am Telefonieren.
Und wie dann der Kurti Blaha draußen, unter den Augen des fassungslosen, aus dem ebenerdigen Fenster starrenden Kommissars mit einer Seelenruhe zum Stefan Kreuzberger ins Auto gestiegen ist, natürlich sehr zur polizeilichen Verwunderung, war es beim Pospischill vorbei mit der Contenance.
Kaum, dass im Kreuzberger Proleten-BMW erfolgreich vom ersten auf den zweiten Gang geschaltet wurde, war der Pospischill schon auf hundert, da kann sich beschleunigungstechnisch der BMW verstecken. Logisch, dass sich der Pospischill angemessen an allen Anwesenden abreagieren musste, er ist ja auch nur ein Mensch. Cholerisch hat er mit gelegentlich tenorartigem Stimmstolpern herumgebrüllt und mehrfach dasselbe wiederholt:
„Warum erfahr ich von dem Obersautrottel Pisser, dass der Owuso vergiftet wurde. Warum hat der vor mir den Befund der Gerichtsmedizin auf dem Tisch!“
Der Jungspund Kogler ist unter seinem Schreibtisch verschwunden, als würde er der gegenübersitzenden Irene Moritz unter den Rock schauen wollen, was auch bestens funktioniert hätte, wäre da nicht eine Hose, sondern eben ein Rock gewesen. Die Moritz hat nervös mit den Füßen gewippt, so wie der Metzger am Tag zuvor im Pritschenwagen neben dem Wollnar, und beim zwischendurch spontanen Überkreuzen der Beine dem Kogler einen Tritt verpasst, unabsichtlich natürlich. Worauf der Kogler Sternderln zu sehen bekommen hat wie zuletzt in den Augen der im Vorraum sitzenden Sekretärin Ursula Winter, die den Kogler umschwärmt, dass es schon peinlich ist, dem Kogler natürlich, der sich eigentlich nichts mehr wünscht, als die Ursula-Winter-Sternderln in den Augen seiner heimlich verehrten Irene Moritz.
Dass überhaupt alle noch da sind, zu dieser späten Uhrzeit, hängt wiederum auch mit Oberst Reinfried Jung zusammen, denn wenn der Überstunden
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