Der Metzger sieht rot
Metzger die Unart des spontanen Auftauchens des Kommissars an diesem Morgen nicht, denn momentan braucht er das Gefühl, es wäre etwas in Bewegung, wie einen Bissen Brot. Dabei fällt ihm auf, dass er eigentlich schon länger nichts Vernünftiges mehr gegessen hat, außer, nach hysterisch geortetem Halskratzen, erneut eine morgendliche Dosis Globuli.
Von einem mit knurrendem Magen herbeigesehnten Bissen ist er aber relativ weit entfernt, denn die Brotlade ist leer, so leer war sie zuletzt nur an der Kassa der Abteilung für Küchen- und Haushaltsgeräte des zugehörigen Möbelhauses.
Ein weiterer Grund, sich über den überraschenden Besuch zu freuen.
„Pospischill!“
Pragmatisch setzt der übernächtig in Pyjamahose und Vortagshemd im Türrahmen stehende Willibald fort:
„Möglichkeit A: Ich mach den Kaffee, während du wieder gehst, samt Edgar, der muss nämlich raus, und mit frischen Semmerln, einer Butter und vielleicht hat der Bäcker ums Eck ja auch ein wenig Wurst und Käse, am besten bald wieder auftauchst.
Möglichkeit B: Du gehst mit Edgar zum Bäcker und nimmst auch gleich den fertigen Kaffee mit, den gibt’s dort nämlich auch.
Möglichkeit C: Du gehst mit Edgar …“
Der Pospischill, nach ebenso ziemlich schlafloser Nacht, sieht, dass ihm der Metzger schlaftechnisch nicht unbedingt viel voraus hat, und meint, dem Willibald ins Wort fallend:
„Ich hab dich schon verstanden, mach einen Kaffee, aber einen Pospischill-Kaffee, zwei Löffel auf ein Häferl, und bring mir den Hund!“
Und während in der Küche das Wasser aus der Maschine in den Kaffeefilter tropft, um am anderen Ende etwas aufgeweckter herauszukommen, rinnt es gleichzeitig im Bad aus der Dusche auf Willibalds Schädel, damit auch der ein wenig aufgeweckter daherkommt.
Es dauert gar nicht lange, ist der Pospischill wieder zurück, und der Metzger fragt mit kritischem Blick:
„Warum geht das so schnell bei dir, das Gassi-Gehen?“
„Na, weil dem Hund klar ist, ich geh mit ihm und nicht er mit mir. Bei meinem Tempo hat der gar keine Sekunde daran denken können, blöd herumzuschnüffeln. Das ist ja immerhin mein Job.“
Nach einem hörbaren Schnüffeln und einem wohlwollenden Kopfschütteln meint der Kommissar:
„Na, jetzt schaust schon besser aus!“
Worauf der Metzger ebenso schnüffelt, sein Kopfschütteln keineswegs wohlwollend anlegt und erwidert:
„Handtücher sind gleich links, Duschgel hab ich keines, musst du die Kernseife nehmen, ist eh gesünder. Geh dich bitte duschen, ich mach Frühstück!“
Eduard Pospischill zögert keine Sekunde.
Zehn Minuten später sitzen zwei nach Kernseife duftende, unrasierte Männer erfrischt an einem unerwartet üppigen Frühstückstisch beisammen, und der Pospischill kann endlich loslegen. Er erzählt von seiner Oberst-Pisser-Geschichte mit der darauf folgenden kriminellen Kurti-Blaha-Entlassung, von den Ergebnissen der Gerichtsmedizin, den erstaunlichen Funden im Stadion und den ungewohnt schnellen, umso erfreulicheren Entwicklungen im Owuso-Fall.
Während nämlich alle Spieler zurzeit ständig ihr Kästchen benötigen, trifft das logischerweise auf den Kreuzberger dank Leistenbruch nicht zu. Der konnte bisher folglich an keinem Training teilnehmen, womit sein eigenes Kästchen seit seinem letzten Garderobenbesuch unbenutzt blieb. Dieser letzte Besuch erfolgte allerdings zu aller Überraschung an jenem Owuso-Schicksalsspieltag, motiviert durch das Verlangen, seinem Erzrivalen zur tollen Leistung in der ersten Halbzeit zu gratulieren, sehr zum Erstaunen der ganzen Mannschaft und aller anwesenden Personen, inklusive des Sportdirektors Heinz Hörmann.
Das hat Heinz Hörmann, der nach dem aufgebrachten Anruf des Stadionmanagers Karl Hohenecker noch zu später Stunde mit Walter Kuransky im Stadion aufgetaucht ist, gleich aus erster Hand dem Pospischill erzählt.
Und wie dann alle Kästchen offen waren, hat der Kommissar klarerweise zuerst das vom Owuso und dann das gegenüberliegende Kreuzberger-Kästchen ausräumen lassen, von der Spurensicherung versteht sich.
In Anbetracht der Utensilien aus dem Kreuzberger-Spind hat der Pospischill dann geglaubt, er spinnt, denn soviel Glück, das gibt es ja normalerweise gar nicht. Glück für den Ermittler versteht sich, weniger für den Kreuzberger, diesen, laut Pospischill, ausgemachten Idioten.
Weil, da gehört schon eine kräftige Portion geistiger Degeneriertheit dazu, unmittelbar nach dem tödlichen Zumischen eines der
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