Der mieseste Liebhaber der Welt
ja nicht ohne Grund. Seit dem Tag, an dem meine Exfrau Svenja ins
Fernsehen eingeladen wurde, ist mein Leben aus dem Ruder gelaufen. Dabei reden wir hier über einen Regionalsender, drittes
Programm, über lockeres Geplauder bei trockenem Burgunder und Selters vor der Kamera. Thema des Abends: »Wunsch &
Wirklichkeit«. Schlau verkauft, oder? Unter dem feuilletonistischen Deckmäntelchen wollte man mal wieder hinter die Kulissen
der Medienwelt schauen, das verkauft sich ja immer. Mal sehen, was zum Beispiel hinter der glanzpolierten Fassade des erfolgreichen
Bestsellerautors Marcus Perry
wirklich
los ist. Als ob das irgendwen interessieren sollte.
Meine Exfrau Svenja und ich haben noch leidlich Kontakt, keine Kinder, keine finanziellen Auseinandersetzungen, null Rosenkrieg.
Zum Geburtstag rufen wir uns an, nicht mal die gemeinsamen Fotoalben sind rituell verbrannt worden. Lauwarme Zivilisation,
der Kollateralschaden serieller Monogamie. Sie hat mich sogar gefragt, ob sie die Einladung des Senders annehmen solle. »Fünf
Minuten schwelgen über alte Zeiten, das kriegst du hin!«, habe ich ihr jovial geantwortet, nicht im Mindesten beunruhigt.
Und gönnte ihr das geschenkte Wochenende in Berlin, Luxushotel und Fluginklusive. Ich weiß nicht, was in sie gefahren ist, als sie dann zur besten Sendezeit vor der Kamera unsere Ehe durch den
Kakao zog. (Die im Übrigen schon bald sechzehn Jahre zurückliegt.) Ein Glas Sekt zu viel gegen das Lampenfieber, ein paar
einschmeichelnde Lächler des Talkmasters, ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass meine Exfrau über mich, den Autor des Ratgeber-Bestsellers
›Der Frauenflüsterer‹ sagte: »Mein Exmann hatte zwar schon immer einen übersteigerten sexuellen Appetit. (Haha!) Aber in der
›Ausführung‹ war er doch eher durchschnittlich. Im Grunde war der Herr Stiltfang in
meinem
Schlafzimmer weniger der Frauenflüsterer als vielmehr der mieseste Liebhaber der Welt!«
Das war wohl witzig gemeint, eine Pointe, das Studiopublikum klatschte amüsiert und Svenja lächelte auch ganz charmant dazu.
Sie war sogar so frei, noch zu erwähnen, dass unser Sex gerade in der Hochzeitsnacht besonders mies gewesen sei, was stimmte.
Aber
allein meine
Schuld war das nicht gewesen! Für die Aasverwerter aus der Glamour- und Revolverpresse war es trotzdem ein gefundenes Fressen.
Die Häme schwappte in druckschwarzen Kübeln über mich herein, selbst Bohlen hätte mit einem erneuten Penisbruch Probleme bekommen,
mich von der ersten Seite des Boulevards wegzuschubsen. Im Fernsehen wurde der Interviewschnipsel meiner Exfrau rauf und runter
gezeigt, bei ›TV Total‹ erhielt ich von Raab einen eigenen Button, auf den der T V-Metzger eine Woche ausdauernd drückte und sich jedes Mal wieder über »den miesesten Liebhaber der Welt« amüsierte. Ganz Deutschland
mailte, bloggte und twitterte sich einen iPhone-Ellbogen (der legitime Nachfolger des Tennisarms), meine Agentur musste zeitweise
ihren überlasteten Server runterfahren. Haben Sie eine Ahnung, wie es sich anfühlt, wenn Sie in der ›Bild‹-Zeitung ein großformatiges
Foto von sich sehen, das von der Überschrift »Ist der Frauenflüsterer in Wahrheit der mieseste Liebhaber der Welt?« begleitet
wird?Wenn Sie zur Zielscheibe des kollektiven Spotts werden und Ihnen gleichzeitig Ihre professionelle Geschäftsgrundlage entzogen
wird? Das Unangenehme und geradezu Bösartige an der Bemerkung meiner Exfrau (die ich wohl erst mal zum Geburtstag nicht mehr
anrufen werde) ist doch, dass sie mich als den kleinen Herrn Stiltfang bloßstellte, der als Marcus Perry unter Vorspiegelung
falscher Talente bei den Großen mitspielen wollte. Sie verwischte die Ebenen und riss »Marcus Perry« vor einer Fernsehkamera
die Maske vom Gesicht. Live. Eine mediale Hinrichtung erster Klasse. Und diesmal war sogar mein Verlag
not amused
.
Es dauerte Monate, bis die Story in den Medien als
ausgelutscht
galt. Die Verkäufe meiner Bücher gingen zurück, die Anfragen wurden weniger. Der Frauenflüsterer war durch, in jeder Hinsicht.
Und mit Ideen für neue Bücher wurde es auch schwierig. Meine Glaubwürdigkeit als Ratgeber war erst mal dahin. Mein Bekanntsheitsgrad
allerdings stieg deutlich. Ständig wurde ich als Gast in Fernsehshows geladen, ›Genial daneben‹ oder ›Das perfekte Promi-Dinner‹,
egal was – wenn man aus der Promi-B- oder - C-Liga noch eine dankbare Nase brauchte, wurde ich angefragt,
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