Der mieseste Liebhaber der Welt
Prozent
Mein Schicksal war besiegelt, die Frage des Abends mit Zweidrittelmehrheit entschieden:
Marcus Perry war jetzt auch offiziell der mieseste Liebhaber der Welt.
Kerner schüttelte mir die Hand, das Saalpublikum klatschte, Abspann. 45 Minuten musste ich anschließend mein Buch signieren, bis ich mich endlich in meine Garderobe zurückziehen konnte. Kerner kam
noch auf einen Sprung vorbei.
»Ist doch gut gelaufen, was?«, sagte er und schlug mir jovial auf die Schulter. »Das war eine tolle Sendung. Gut für die Quote
und sicher auch gut für Ihr Buch!«
Was mit meiner Reputation als Autor und Mitmensch geschehen würde, wollte er lieber nicht thematisieren. Die Einladung zu
einem kleinen Umtrunk im Sender lehnte ich ab. Ich wusste zwar, dass ich jetzt unmöglich nach Hause gehen und mich ruhig ins
Bett legen konnte, aber die Gesellschaft von Kerner und seiner Medienentourage schien mir nicht ganz angemessen. Vielleicht
sollte ich ja noch auf den Kiez fahren, in eine Stripbar. Vermutlich würde ich sogar ein paar Getränke aufs Haus bekommen,
nach so viel Werbung für das faszinierende Leben im Rotlicht. Ohne uns
Sexsüchtige
könnten die ja dichtmachen.
Ich schalte mein iPhone an.
Eine Nachricht. Annie hat mir geschrieben, die treue Seele. Sie hat offenbar meine öffentliche Verbrennung gesehen und will
mich trösten. Ich lese ihre SMS. Ich lese sie noch einmal. Ich kann nicht glauben, was da steht. Ich muss mich setzen. Für ein paar Minuten kann ich keinen
klaren Gedanken fassen. Dann weiß ich: Heute werde ich der Hamburger Reeperbahn keinen Besuch mehr abstatten. Und ich werde
auch keine Telefongespräche mehr führen mit Frauen, die ich früher einmal getroffen und über meine Motive im Unklaren gelassen
habe. Ich drücke die Reply-Taste und schreibe Annie nur ein Wort zurück: DANKE.
Dann buche ich schnell einen Flug nach Florenz, gleich um 10 Uhr am nächsten Morgen. Ich weiß, dass damit nichts entschieden ist. Ich weiß, dass das hier kein Hollywood-Film ist und ich
nicht der Hauptgewinn in der Lotterie des Lebens bin. Ich habe keine Ahnung, wie ich in Siena empfangen werde. Aber ich habe
eben vor einem Millionenpublikum behauptet: »Ich wünsche mir, dass der Mensch meines Lebens plötzlich vor mir steht und mein
Suchen beendet.« Vielleicht ist das ja wenigstens ein guter Zeitpunkt, um mir selbst zu beweisen, dass ich das auch ernst
gemeint habe. Ich packe meine Sachen zusammen und fahre nach Hause. Hin und wieder lese ich die SMS von Annie und schüttele
den Kopf. Nach all den Jahren …
Hey, Markus, hier ist deine Chance … Finde raus, ob sie wirklich die Antwort auf all deine Fragen ist. Das ist die Frau, die damals die Wohnung in der Geschwister-Scholl
gemietet hat:
M. de Gregorio,
Siena
53013, Via Padre Chiantini 12.
Viel Glück!
Magdalena? Maria! Plötzlich fühle ich mich lebendig. Lange her.
ENDE
Danksagung
Ich bin meiner Lektorin Katharina Festner vom Deutschen Taschenbuch Verlag zu großem Dank verpflichtet, und dafür gibt’s mehr
als die üblichen Gründe. Sie verbrannte meinen Vertrag nicht gleich auf dem Münchener Marienplatz, als ich ihr vorschlug,
unser ursprünglich vereinbartes Konzept
leicht
zu modifizieren – von einem essayistischen
Ratgeber
mit autobiographischem Ansatz zu einem Roman über die sexuelle Sozialisation eines nichtswürdigen Hallodris. (Vermutlich dachte
sie, das sei in etwa die gleiche Baustelle.) Sie kämpfte sich durch diverse (rätselhafte) Fassungen und verlor auch bei meinen
pornographischen Ausflügen nicht die Nerven. (Na ja, meistens jedenfalls und nie für lange Zeit.) Um es kurz zu machen: Sie
rettete mir in Australien den Arsch! Ohne dieses Buch hätte ich dort kellnern müssen, und das wäre weder für mich noch für
meine Gäste ein Vergnügen geworden.
Dieses Buch entstand im Winter 2009 / 2010 in Sydney, hauptsächlich in Cafés in Meernähe. Mein Dank gilt besonders Jelena vom »Gusto« in Coogee, der wunderbaren
Fanny Lundqvist vom »Café Kawa« in Surry Hills und den Damen und Herren der »Fair Trade Coffee Company« in Glebe. Der Typ,
der ganze Tage den besten Tisch blockierte und alle zwei Stunden einen jämmerlichen Latte bestellte, war vermutlich nicht
euer Traumkunde – umso mehr weiß ich die gleichbleibend herzliche Gastfreundschaft von euch allen zu schätzen!
Bedanken möchte ich mich auch für großmütige Recherchehilfe und
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