Der mieseste Liebhaber der Welt
einem Pseudonym erscheinen sollte, machte mir zu schaffen. So eitel war ich dann doch.
Träumt man nicht als kleiner Zeilenschinder in der heimischen Lokalzeitung davon, später mal seinen Namen auf einem Buchdeckel
lesen zu dürfen? Und nun sollte da einfach irgendein gut klingender Mumpitz stehen? Beziehungsweise nicht einmal
irgendeiner
, sondern auch noch der einer Frau!?
»Frauen sind unsere Kernleserinnen«, klärte mich mein Lektor auf, »und die kaufen nun mal lieber Geschichten, die andere Frauen
geschrieben haben. Hat die Marktforschung ergeben, können wir auch nicht ändern.« Auf die Idee, den Job dann vielleicht eher
einem Schreiber anzubieten, der nicht gleich einer Geschlechtsumwandlung zustimmen musste,war er wohl nicht gekommen. Oder es gab einfach noch nicht so viele Frauen, die kein Problem damit hatten, einen Schwanz einen
Schwanz und eine Muschi eine Muschi zu nennen. (Charlotte Roche war da noch kein Thema.)
Ich überlegte eine Woche, bevor ich ablehnte. Einen kurzen Moment hatte ich mit dem Gedanken geliebäugelt, mich »Winny Twix«
zu nennen, in Anlehnung an eine leidlich bekannte amerikanische Ladendiebin, in die ich früher mal verliebt gewesen war, doch
das war dann sogar mir zu albern. (Und sie würde vermutlich eh nie davon erfahren.)
Mein Lektor nahm es sportlich. Dann eben kein weibliches Pseudonym. Aber was mit einem Namen wäre, der wie ein
Label
funktioniert. Sozusagen eine Projektionsfläche für Leserinnen aller Altersklassen. So etwas wie Johannes Engels oder Constantin
Schönburg zum Beispiel oder Claus von Castell. Irgendwas jedenfalls aus der Liga »RTL – der Heimatfilm«. Ich überlegte eine
Woche. Und sagte wieder ab. Ich war nicht bereit, als Karikatur eines verarmten Landadeligen durch die Buchläden Deutschlands
zu tingeln und am Ende noch zu ›Hans Meiser‹ eingeladen zu werden. Zugegeben, es war eine enge Entscheidung. Mein Lektor nahm
es nicht mehr sooo sportlich. Ich galt bereits als kapriziös, da hatte ich noch kein Wort geschrieben. Er werde sich mal mit
dem
Layout
zusammensetzen, dann werde ich sein Problem schon erkennen. Ein paar Tage später schickte er mir einen Covervorschlag mit
dem Titel des Buches und meinem Autorennamen. Das Cover war unterlegt von der Illustration eines tanzenden Paares, das sich
zärtlich im Arm hält, aber gleichzeitig auf die Füße tritt. Da hatte sich ein
Art Director
Gedanken gemacht. Aber die Illustration war nicht das Problem: Der Grauwert war es, die Buchstabenmenge. Und der eher uncharmante
Klang meines Namens.
Männer und Frauen passen (wirklich) nicht zusammen!
Aber sie haben keine andere Wahl
Von Markus P. Stiltfang
So hätte das also ausgesehen. Und es war nicht von der Hand zu weisen: Ein Buch von einem gewissen Markus P. Stiltfang wirkte, als habe ein bebrillter Ökotrophologe über den Nährwert von Liebesperlen geschrieben. Ich rief meinen Lektor
an, warf mich vor ihm in den Dreck und verabredete ein Brainstorming. Das heißt, wir betranken uns bei einem Griechen in der
Vorstadt mit einem süßlich-klebrigen Gesöff namens Samos. Das ergab einen entsetzlichen Kater und meinen neuen Namen als Autor:
Marcus Perry
. (Süßlich und klebrig? Aber sicher!)
Diesen Namen haben Sie vermutlich schon einmal gehört. Oder Sie haben sogar ein Buch von mir gelesen. Als »Marcus Perry« bin
ich schließlich eine große Nummer auf dem deutschsprachigen Sachbuchmarkt. Aus Markus wurde Marcus – weil das weicher und
internationaler klingen würde, behauptete mein Lektor. Und Perry war der Spitzname meines Großvaters Peter, von dem mein zweiter
Vorname stammt.
»Da hätten wir auch einen persönlichen Bezug!«, argumentierte wiederum mein Lektor. »Das fühlt sich doch gut an!« Über
Stiltfang
sprachen wir nie wieder.
Mein erstes Buch wurde ein kleiner Erfolg, mein zweites Buch mit identischen Inhalten, aber unter einem anderen Titel, lief
sogar noch besser. Der Titel lautete: ›Gegensätze stoßen sich ab!‹ Untertitel: ›Wie Paare in Beziehungen aufeinander zuwachsen.‹
Ich finde ja, das ist ein selten dämlicher Titel und muss dabei immer an betrüblich dreinschauende siamesische Zwillinge denken.
Aber Zahlen lügen nicht, wie mein Lektor sagt. Was nicht für mich gilt, muss ich zugeben. Mein drittes Buch hat den Titel:
›Der Frauenflüsterer‹. (Wiegut, dass ich mich vehement gegen ein weibliches Pseudonym gewehrt habe.) Im ›Frauenflüsterer‹
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