Der mieseste Liebhaber der Welt
das heißt: Marcus Perry. Das ist eine Zeitlang ja ganz lustig, aber
wenn man den Zirkus ein Jahr mitmacht, wird es zur Tortur. Immer nur gesellige Abende mit Dirk Bach, Oli P. oder Michaela
Schaffrath können einem ganz schön das Hirn verbrennen.
Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich
müsste
im Grunde nicht mehr arbeiten gehen. Jedenfalls solange ich mir nicht in jedem Jahr einen neuen Ferrari zum Hummer (dem Auto,
nicht dem Krebs) leisten würde. Doch sollte ich mich etwa jetzt schon zur Ruhe setzen, ein Häuschen auf Mallorca kaufen und
Golf spielen?
Schließlich hatte mein Lektor dann die zündende Ideefür ein
neues
Buch, das auch mit mir zu machen war. Oder besser: nur mit mir! Ich bin noch nicht sicher, ob sie genial war oder einfach
nur daneben. Das wird sich zeigen, und zwar schon ziemlich bald. Wie wäre es, sprach er, wenn du deinem Publikum da draußen
zeigst, dass du über ein breites Kreuz, Persönlichkeit
und
eine sympathische selbstironische Ader verfügst. Und ein Buch schreibst, das dein aktuelles Programm ganz groß auf dem Cover
verkündet: ›Ich war der mieseste Liebhaber der Welt‹. Untertitel: ›Eine Beichte‹. Das sei doch wohl eine Meisterleistung in
angewandter Dialektik. Möglicherweise hielt ich das im ersten Moment für einen Witz, doch mein Lektor war nicht zu bremsen:
»Ich sehe schon die Werbetexte vor mir: ›In seinem Buch erzählt der Frauenflüsterer die Geschichte seiner sexuellen Sozialisation
– und warum die Frauen ihn als den miesesten Liebhaber der Welt einstuften.‹ Das verkauft, Marcus, das geht durch die Decke!«
Ich bin übrigens nicht sicher, dass ich
wirklich
so schlecht im Bett bin. Da hat Svenja einfach ein wenig übertrieben und mich für einen guten Gag verraten und verkauft. Ich
bin vermutlich eher so
normal
. Möglicherweise sogar mit ein paar Erfahrungen mehr, als sie Willi Mustermann in seinem Männerleben gemacht hat. Die können
Sie übrigens jetzt alle in meinem Buch nachlesen, von Anfang an. Ich musste ganz schön recherchieren, um das alles wieder
auf die Reihe zu bekommen. Mein Lektor hat mir diesmal keine Kapitelüberschriften geliefert. Dafür aber wieder einen ganz
ordentlichen Vorschuss.
»Ist Schmerzensgeld, falls dein Ruf hinterher
total
ruiniert und das unser letztes gemeinsames Projekt ist«, hat er geflachst. (Vermutlich aber genau so gemeint.) Der Verlag
aber
glaubt
an den Titel. Wenn ich da also gleich mit einem Exemplar meines aktuellen Buches in der Hand zu Kernerrausgehe, um es im richtigen Moment in die Kamera zu halten, werde ich den Showmaster und sein Publikum vor der Kamera so
augenzwinkernd wie möglich begrüßen: »Guten Abend, mein Name ist Marcus Perry, und ich bin der mieseste Liebhaber der Welt!«
Ich nehme mal an, dass das immerhin kein
langweiliger
Einstieg ist. Aber ich hoffe dabei aus ganzem Herzen, dass dieser Satz eine gottverdammte Lüge sein wird, so wie auch der
›Frauenflüsterer‹ eine Lüge war. Aber sicher bin ich mir da schon lange nicht mehr.
I. Kapitel
1974, Angelique (Cordula)
Tags Adoleszenz, Schauspielerin, Scheidungskind, Sonnenöl, Swimmingpool
Soundtrack Teenage Rampage / The Sweet
Film Frankenstein Junior / Mel Brooks
Sheeni rollte sich auf den Rücken; das gelbe Bikini-Oberteil bedeckte ihre jungen Brüste. »Ich hoffe, du findest das nicht
zu stimulierend, Nick.« »Ich werde schon damit fertig« , sagte ich.
C. D. Payne, ›Crazy Days –
Die Tagebücher des Nick Twisp I.‹
Während ich Angelique dabei zusah, wie sie aufreizend langsam ihren braungebrannten Körper mit Kokossonnenöl eincremte, wusste
ich, dass ich in
beiden
Fällen geliefert sein würde.
Ich war vierzehn Jahre alt und Angelique war so ziemlich das dümmste Mädchen, das ich bis dahin kennengelernt hatte. Allerdings
auch das attraktivste. Sie war neunzehn und hatte nach der Volksschule als Verkäuferin in einer Parfümerie gearbeitet. Das
sei aber nicht ihre Welt, ließ sie uns wissen. Nun wollte Angelique lieber Schauspielerin werden. Sie färbte sich ihr langes
braunes Haar hellblond, ließ sich wallende Locken drehen und wartete auf den Tag, an dem es in Hollywood losgehen würde. Ich
hätte an ihrer Stelle auf eine Karriere als Model gehofft – oder auf eine Renaissance des Stummfilms. Seit Kurzem besuchte
sie Kurse bei einerrenommierten privaten – und ziemlich teuren – Schauspielschule.
Wir lagen seit zwei Stunden gemeinsam am Pool des
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