Der mieseste Liebhaber der Welt
mit diesen Informationen hausieren ging. Man musste ihn schon
gezielt fragen, wenn man etwas über seinen Hintergrund erfahren wollte. Ich musste zugeben, dass mir der Kerl sympathisch
war. Er hatte Humor, er war ein glänzender Unterhalter und dabei unaufdringlich – eine rare Kombination. Aus Hanne wurde ich
allerdings nicht schlau. Sie sprach nur das Nötigste und besonders herzlichen Umgang schien sie mit ihrem Mann auch nicht
gerade zu pflegen. Als die beiden Mädchen uns neue Getränke von der Bar besorgten, fragte ich Tobias, wie lange er schon mit
Hanne zusammen sei.
»Lass mich nachdenken – alles in allem vielleicht drei Stunden?«
Er lachte laut auf.
»Hanne ist ein Escort. 200 Euro die Stunde. Als einzelner Mann bist du in so Läden wie diesem nicht so gern gesehen. Deshalb buche ich meistens eine
Begleiterin, verstehst du?«
Tat ich. Trotzdem muss ich ziemlich dumm geschaut haben.
»Weiß denn deine Partnerin nicht, dass du Swingerclubs besuchst?«
»Wieso glaubst du, dass ich eine Partnerin
habe
?«
Gute Frage. War ich jetzt einfach von ausgegangen. Er wirkte auf mich wie ein Hauptgewinn für bindungswillige Damen. Attraktiv,
humorvoll und offenbar auch gut betucht.
»Weißt du, Markus, ich bin nicht so der Typ fürs Familienleben. Ich bin dauernd unterwegs, ich habe ein paar zeitintensive
Hobbys – und ich bin ein leidenschaftlicher Swinger. Das macht mich einfach an. Darauf würde ich nicht verzichten wollen.
Und auf Dauer gibt’s damit zu Hause doch nur Stress!«
»Vermutlich hast du Recht …«
»Außerdem bin ich ohnehin nicht so der Typ, um gemeinsam zu kochen, vor dem Fernseher zu hocken oder Freunde zum Grillen einzuladen
– dieser ganze Sozialterror kostet doch nur Zeit. Und wenn ich mal jemanden brauche, voilà – Hanne und ihre Freundinnen sind
für kleines Geld den ganzen Tag verfügbar.«
Ich muss zugeben, dass mir Tobias’ kaltschnäuzige Einstellung gefiel. Ab und zu dachte ich genauso. Aber ich war nicht so
ein hartleibiger Spartaner, der dauerhaft ohne Zuwendung und Sozialgesten leben wollte. Es mochte vielleicht manchmal langweilig
aussehen, was Annie und ich da den ganzen Tag zusammen trieben, aber es hatte auch etwas ungemein Beruhigendes. Ich war nicht
allein auf der Welt. Hin und wieder musste man daran doch erinnert werden?
Hanne sah ich nun mit ganz anderen Augen, als sie zusammen mit Annie und einem Tablett Prosecco wieder in den »Safari Salon«
zurückkehrte.
Während sich Annie und Tobias über den Hurricane »Katrina« und die dadurch ausgelöste weltweite Ölkrise unterhielten, rückte
ich näher an sie heran.
»Tobias hat mir erzählt, dass ihr euch gar nicht … äh … so gut kennt.«
Hanne schmunzelte.
»Hübsch verpackt hast du das. Du meinst, er hat dir erzählt, dass ich eine Nutte bin?«
»Escort. ESCORT hat er gesagt.«
»Schon gut, keine Aufregung, Markus«, lachte Hanne wieder, »ich lasse mich dafür bezahlen, dass ich Sex mache, also nenne
es, wie du willst.«
»Spannende Sache«, stotterte ich ein wenig armselig, die offensive Art Hannes in dieser Umgebung verunsicherte mich noch eine
Spur mehr.
»Nicht für mich«, antwortete Hanne, »für
mich
ist das ein trostloser Job in einer Spießerbutze, schau dich doch mal um.
Safari Salon
– da ist ja das Kinderzimmer meines Neffen mehr Karl May als diese Hausfrauenphantasie.«
Da musste ich ihr allerdings zustimmen. Unsere Liegewiese war mit einem Tigerfellstoff ausgerüstet, an der einen Wand hing
ein Foto von Robert Redford aus ›Jenseits von Afrika‹ und an der anderen Wand hatte Elsbeth oder Heiner einen Löwenkopf als
Karikatur auf einer Jagdtrophäe befestigt. Das Tier kam augenscheinlich nicht aus dem Dschungel, sondern aus der Sonderangebotsabteilung
des örtlichen Spielwarenhandels.
»Außerdem«, fuhr Hanne fort, »werde ich langsam zu alt für diesen Job. Die Konkurrenz in der Escort-Agentur ist gern mal zwanzig
Jahre jünger. Zum Glück wollen viele Swingerclub noch nicht machen, das kommt erst mit den Jahren.«
»Klingt nach einem harten Business.«
»Kannst du glauben. Vor zwei Jahren musste ich mir sogar die Brüste machen lassen«, sagte Hanne, »und du glaubst ja wohl nicht,
dass sich mein Boss an den Kosten beteiligt hätte. Er hätte mich aber sofort aus der Kartei geworfen, wenn ich nicht einverstanden
gewesen wäre.«
Ich schielte aus den Augenwinkeln auf Hannes neueFreundinnen. Aus der Entfernung
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