Der mieseste Liebhaber der Welt
stecken? Da unten waren jedenfalls keine Phantasien, die sich nicht
kontrollieren ließen.
»Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, gemeinsam einen Swingerclub zu besuchen?«, fragte Doc Weihrauch schließlich.
»Einen Swingerclub? Meinen Sie das ernst?«
Ich war verblüfft. Doc Weihrauch offenbarte abgründigeVorlieben. Annie verzog so angewidert das Gesicht, als marschierte gerade eine Kakerlaken-Karawane an ihr vorbei.
»Was versprechen Sie sich denn
davon
?«
»Sie lernen, Ihren Partner mal mit den Augen eines anderen Menschen zu betrachten«, antwortete unsere Therapeutin unbeeindruckt
vom Gesichtsausdruck Annies. »Es geht nicht darum, dass Sie dort mit fremden Männern
verkehren
. Aber ich glaube, es würde Herrn Stiltfang helfen zu sehen, wie Sie von fremden Männern
begehrt
werden!«
Darüber dachten wir in den nächsten Tagen ausführlich nach. Es stimmte wohl: Es würde mir überhaupt nicht gefallen, wenn irgend
so ein geiler Wicht aus der Vorstadt Annie sexuelle Avancen machen würde. Interessant wäre wohl nur die Reihenfolge meiner
Impulse: Würde ich dem Typen zuerst an den Hals springen oder lieber Annie zur Seite nehmen und nach allen Regeln der Kunst
bedienen wollen? Und falls Möglichkeit b zutreffen würde: Wäre das nicht einfach bloß Pimmelfechten aus der untersten Schublade?
Doc Weihrauch war anderer Meinung: »Man kann sich die Mittel, die zum Erfolg führen, nicht immer aussuchen. Und wenn es Sie
erregt, dass ein anderer Mann mit Ihrer Frau schlafen möchte, dann ist das in Ordnung – auch im Swingerclub.«
»Ich glaube nicht, dass im Swingerclub ein Mann mit meiner Frau schlafen will«, antwortete ich, um den Doc zu provozieren,
»ich schätze, die Typen da wollen sie einfach nur
bumsen
!«
»Und?«, fragte der Doc zurück. »Geht Ihnen bei der Vorstellung einer ab?«
Annie kicherte, und ich hatte Mühe, nicht von der Couch zu hopsen. Dann lachten wir alle drei. Der Doc. Sieh mal einer an.
***
Die Klingel im Haus »Sonnenlust« spielte tatsächlich »All you need is love« von den Beatles. Annie grinste.
»›I can’t get no satisfaction‹ von den Stones wäre ja vermutlich auch geschäftsschädigend.«
Typisch. Selbst an der Schwelle zur Hölle machte diese Frau noch Späße. Nach ein paar Sekunden raschelte es an der Tür. Eine
Frau in den Vierzigern in einer Art rosa Reizkittel mit Spitzenbesatz öffnete die Tür. Sie hatte ein paar Pfunde zu viel an
den verkehrten Stellen, doch ihr verbindliches Lachen machte das wieder wett.
»Ach, ihr seid bestimmt die Philine und der Klaus!«, begrüßte sie uns mit weit ausgebreiteten Armen. »Ich bin die Elsbeth,
kommt doch rein.«
»Nee, wir sind die Annie und der Markus«, berichtigte ich unsere Gastgeberin, die daraufhin sofort wieder ihren Zettel zur
Hand nahm und sich Notizen machte.
»Nur damit wir bei den Buchungen nicht durcheinanderkommen.«
»Klar, muss alles seine Ordnung haben.«
»Willkommen in der Außenstelle des Finanzamts«, raunte ich Annie zu. Die trat mir unauffällig gegen das Bein.
»Klappe, jetzt will ich mir den Laden auch von innen ansehen!«
Dann betraten wir das rote dreistöckige Backsteinklinkerhaus in einer Wohnsiedlung dreißig Kilometer von Hamburg entfernt.
Hier lebten Heiner und Elsbeth und betrieben ihren Swingerclub »Sonnenlust« seit zwei Jahren. Ich musste bei dem Namen sofort
an eine kranke Mischung aus Schrebergarten und Puff denken, doch auf den ersten Blick war hier nichts Verdächtiges zu entdecken.
»Sauberkeit ist das Wichtigste«, hatte Elsbeth am Telefon behauptet, »bei uns drückt sich kein arbeitsscheuer Achmed durch
die Räume, hier feudel ich noch selbst vor jedem Erlebniswochenende!«
Das beruhigte mich zu hören, auch wenn ich über die exotischeren Vorzüge des Hauses gerne ein wenig mehr erfahren hätte.
»Ach, das müsst ihr euch selbst anschauen!«, hatte Elsbeth gemauert. »Kommt doch einfach einmal unverbindlich vorbei.«
Mir war nicht ganz klar, wie man einen Swingerclub
unverbindlich
besuchen konnte. Das scheiterte ja schon am Dresscode.
»Was kommen denn da in der Regel für Leute?«
»Sehr nette Menschen und alle sehr diskret, das kannst du mir glauben.«
Es half nichts. Elsbeth verriet nur das Nötigste. Wir entschlossen uns, einen Versuch zu unternehmen. Das »Sonnenlust« hatte
von allen in Frage kommenden Etablissements noch den harmlosesten Eindruck gemacht, außerdem war es mir ganz recht, dass uns
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