DER MILLIONÄR AUS MIAMI
Klienten hatte eine Sammlung von Dinosauriermodellen, die er unbedingt hatte sehen wollen. Dann waren sie von diesem Reporter überrascht worden, der einen Artikel über Kriegsversehrte geschrieben und ein Foto von ihnen gemacht hatte, das tatsächlich in der Zeitung erschienen war. Was für ein unglücklicher Zufall …
Sollte sie sich Joel einfach schnappen und mit ihm verschwinden? Nein, das konnte sie ihm nicht antun, dazu war er viel zu unsicher. Außerdem hatte er sich gerade erst im Kindergarten eingewöhnt.
Nicole erinnerte sich an Rafe Medicis entschlossenen Gesichtsausdruck. Unwillkürlich umfasste sie das Lenkrad fester, sodass die Knöchel weiß hervortraten. Sie musste ihre Möglichkeiten abwägen.
Tabitha hätte jetzt einen filmreifen Auftritt vor ihrem Vater hingelegt, um Geld von ihm zu bekommen. Aber Nicole hatte den Kontakt zu ihrem Vater auf das Nötigste reduziert, nach allem, was er getan hatte …
Sie atmete tief durch, um sich zu beruhigen. Schließlich war sie immer schon die Pragmatische in der Familie gewesen. Irgendetwas würde ihr schon einfallen. Was auch immer geschah, sie würde Joel um jeden Preis schützen.
Sie lügt, dachte Rafe, während er beobachtete, wie Nicole Livingstone davonfuhr. Er spürte dieses leichte Pickeln in seiner linken Hand, das ihn immer befiel, wenn sich Schwierigkeiten anbahnten. Diese Frau bedeutete Ärger. Vielleicht sogar mehr Ärger, als Tabitha ihm eingebracht hatte – falls das überhaupt möglich war.
Tabitha war eine fantastische Schauspielerin gewesen. Er hatte ihr tatsächlich geglaubt, dass sie es genossen hatte, mit ihm zusammen zu sein. Dann hatte er herausgefunden, dass es ihr nur um sein Geld gegangen war. Bis heute konnte er ihre Gier nicht verstehen, immerhin stammte sie aus einer sehr wohlhabenden Familie. Er erinnerte sich daran, wie sie ihn angefleht hatte, ein paar seiner Jachten verkaufen zu dürfen. Und dumm, wie er gewesen war, hatte er auch noch nachgegeben. Insgeheim hatte er sich gefreut, dem mächtigen Conrad Livingstone mithilfe seiner eigenen Tochter eins auszuwischen. Aber das Ganze war nach hinten losgegangen. Tabitha hatte ihn angelogen, um ihre Provision einzustreichen. Anschließend hatte sie versucht, einen seiner Kunden zu verführen, einen spanischen Prinzen – wenigstens dabei hatte sie keinen Erfolg gehabt.
Er kämpfte sich durch den peitschenden Wind zu seinem Mietwagen. Die Wahrheit über Tabitha, Nicole und Joel würde sich leicht herausfinden lassen.
Nachdem Rafe in den Wagen gestiegen war, rief er seinen Bruder an.
„Hey, Rafe, was gibt’s?“, fragte Michael.
„Kannst du mir einen schnell, gründlich und diskret arbeitenden Privatdetektiv empfehlen?“
„Na klar. Hat das irgendwas mit deiner schlechten Laune gestern Nacht zu tun?“
„Möglicherweise.“
„Bedeutet das, dass du noch ein paar Wochen oder Monate bei mir wohnen wirst?“
„Ja, aber nur, wenn es dir recht ist“, erwiderte Rafe.
„Aber sicher! Allerdings werde ich nur selten da sein. Ich habe gerade einen neuen Laden gefunden, den ich günstig aufkaufen kann.“ Er schwieg kurz, dann fuhr er fort: „Würdest du mir verraten, was das alles soll?“
„Mach ich, sobald ich es selbst weiß“, antwortete Rafe grimmig. „Schickst du mir die Nummer von dem Privatdetektiv per SMS?“ Er brauchte Antworten, und er würde sie bekommen.
Gleich nachdem er den ersten Bericht vom Privatdetektiv erhalten hatte, konsultierte Rafe einen Anwalt.
„Kann Nicole Livingstone mir das Sorgerecht vorenthalten?“, fragte er geradeheraus.
Der Anwalt schüttelte den Kopf. „Natürlich kann sie klagen. Aber solange sie nicht beweisen kann, dass Sie als Erziehungsberechtigter ungeeignet sind, wird sie verlieren. Alles, was Sie brauchen, ist ein positiver Vaterschaftstest. Ein entsprechender Gerichtsbeschluss ist kein Problem.“
Voller Bitterkeit dachte Rafe an all die Jahre, die die Livingstones ihm seinen Sohn vorenthalten hatten. „Diese Leute haben mich aufs Übelste betrogen. Ich möchte Joel so schnell wie möglich bei mir haben.“
Beschwichtigend hob der Anwalt die Hand. „Nicht so schnell.“
„Aber Sie sagten doch, dass es kein Problem ist, das Sorgerecht zu bekommen!“
„Das stimmt auch“, erklärte der Mann ruhig. „Aber bei all dem steht vor allem das Wohl Ihres Sohnes im Vordergrund. Wollen Sie ihn wirklich einfach so aus seinem vertrauten Umfeld reißen? Allem Anschein nach war Nicole Livingstone eine sehr gute Mutter,
Weitere Kostenlose Bücher