Der Minister und das Mädchen - Kriminalroman
irgendwoher kamen helle Kinderstimmen.
Auf der Rückseite des Hauses wurde ich fündig. Eine Rasenfläche mit Schaukel, Sandkasten und rudimentärem Holzhaus diente drei blond und gesund aussehenden Kindern im gehobenen Krabbelalter als Spielplatz. Beaufsichtigt wurde die ländliche Idylle von einer ebenfalls blonden Frau, die es sich, in ein Buch vertieft, auf einer Holzbank gemütlich gemacht hatte. Sie trug geringelte Wollstutzen, eine hautenge, gelbglänzende Radlerhose und ein weites T-Shirt, das die Form ihrer großen Brüste mehr als erahnen ließ.
Ich wiederholte meine Rede von vorhin und sagte: »Hallo!«
Sie las den Abschnitt zu Ende, bevor sie aufblickte. »Wie geht’s?«
»Gut. Ich suche Sebastian Prückner.«
»Der Basti? Der ist in der Scheune. Gehen Sie wieder auf die andere Seite und an dem Gebäude links vorbei. Dann sehen Sie schon den Eingang.«
Keine Fragen nach meinem Namen oder dem Grund meines Besuches. Hier war die Welt wirklich noch in Ordnung.
Ich folgte ihren Anweisungen und betrat die Scheune, die Basti alias Sebastian Prückner zu einer Autowerkstatt umgebaut hatte. Der im Inneren versammelte Schrott war schon teilweise recycelt. Überall auf dem Boden lag Werkzeug herum, es gab eine kleine Hebebühne, und es roch nach Altöl und Schmierfett.
Im Motorraum eines alten Mercedes entdeckte ich den Rücken eines Mannes. Der Rücken steckte in einem blauen, ölverschmierten Overall.
Ich trat neben den Mercedes. »Herr Prückner?«
Der Mann schraubte seinen langen Rücken aus dem Motorraum. Er richtete sich auf und wurde immer größer. Am Ende überragte er mich um einen Kopf. Sein weiches Jungengesicht wurde von einem zauseligen Ziegenbart zusätzlich verlängert, das krause, dunkelbraune Haar hatte er zu einem Zopf zusammengebunden. Mir fiel auf, dass lange Haare wieder in Mode kamen.
»Ein nettes Schätzchen«, sagte ich und klopfte auf das Dach des Mercedes.
»Ja.« Seine großen Augen strahlten. »Wenn er wieder läuft, ist er ein Prachtstück. Suchen Sie einen Mercedes? Da drüben habe ich noch einen 79er Benziner. Top in Ordnung, mit Ledersitzen.«
»Nicht direkt«, antwortete ich. »Man hat mir von Ihnen erzählt.«
»Gute Arbeit zahlt sich aus.«
Er klemmte sich eine selbst gedrehte Zigarette zwischen die Lippen. Der erste Zug ging bis in die Lungenspitzen. »Meine alten Kisten laufen wie eine Eins. So was spricht sich rum.«
»Haben Sie das richtig gelernt, in einer Autowerkstatt?«
»Nee.« Er grinste. »Ich hab Germanistik und Philosophie studiert. Bis zum Staatsexamen, das hab ich mir geschenkt. War mir echt zu kopflastig.«
»Das hat ein Studium so an sich.«
»Was?«
»Nichts.«
»Ehrlich gesagt, schon während des Studiums hab ich mehr unter Autos gelegen als im Hörsaal gesessen. So konnte ich mir mein Studium verdienen, indem ich die Autos anderer Leute repariert habe. Ich kenn mich aus mit fast allen Marken, egal ob Mercedes, Opel, Volvo. Suchen Sie was Bestimmtes, oder brauchen Sie nur einen fahrbaren Untersatz?«
»Nein, eigentlich will ich kein Auto kaufen.«
»Dann haben Sie eine Schrottmühle, die ich auf Vordermann bringen soll?«
»Auch nicht. Mein Saab ist erst ein Jahr alt.«
Das Pferdegesicht bekam einen ratlosen Ausdruck. »Und weshalb sind Sie hier?«
»Ich möchte mit Ihnen über Gudrun Benningdorf reden.«
»Ich hab doch schon alles gesagt.« Er hielt mich für einen Polizisten. Seine Augen flogen zu einem Hängeschrank, der an der Längsseite der Scheune befestigt war. Wahrscheinlich enthielt der Schrank ein paar Dinge, die ihn in eine unangenehme Lage bringen konnten.
»Ja, allerdings gibt es noch ein paar Kleinigkeiten, die wir klären müssen.«
»Und welche?« Die Zigarette glühte.
»Sie haben uns verschwiegen, dass Sie vorbestraft sind.« Das war ein Schuss ins Blaue. Aber wer war nicht vorbestraft?
»Ach das. Das ist doch schon ewig her. Wieso wird das nicht mal aus der Kartei gestrichen? Ich bin noch nach Jugendstrafrecht verurteilt worden.«
»Wir arbeiten heutzutage mit Computern. Die vergessen nichts.«
»Hören Sie, das war eine Rangelei unter Freunden. Wir waren beide scharf auf dieselbe Frau. Ich hab ihn unglücklich am Kinn getroffen, und er ist mit dem Hinterkopf gegen die Wand geknallt. Im ersten Moment sah es schlimmer aus, als es tatsächlich war.«
»Und diesmal ging es wieder um eine Frau.«
»Ach.« Er schnaubte. »Sie denken, ich hab Gudrun verprügelt, weil sie mit diesem Arschgesicht …«
»Woher
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