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Der Minister und das Mädchen - Kriminalroman

Der Minister und das Mädchen - Kriminalroman

Titel: Der Minister und das Mädchen - Kriminalroman
Autoren: Grafit
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gesehen. Aber ich bin eine brave Ehefrau, engagiere mich fleißig für eine Stiftung und besuche in Wahlkampfzeiten abwechselnd Kinder- und Altenheime. Die Gespräche bewegen sich ungefähr auf dem gleichen geistigen Niveau.«
    »Sie sind nicht nur neugierig, sondern auch zynisch.«
    »Das wird man zwangsläufig. Schauen Sie sich das an!« Sie machte eine Handbewegung, die das Partytreiben umfasste. »Das ist doch alles nur Fassade. Ist Ihnen nicht aufgefallen, dass Schwarz’ Frau nirgendwo zu sehen ist?«
    »Offen gestanden: Nein. Ich kenne Frau Schwarz nicht einmal.«
    »Mechthild Schwarz ist in einer Klinik. Sie hat die Geschichte mit Christian nicht verkraftet. Und ihr lieber Gatte veranstaltet eine rauschende Party. Darauf kann man doch nur mit Zynismus reagieren.«
    Die Band machte eine Pause, und Götz Alsmann strebte mit schnellen Schritten zum Haus. Als er an uns vorbeikam, blieb er kurz stehen und flüsterte meiner Gesprächspartnerin etwas in Ohr, während er mir zublinzelte. Beide lachten hell auf.
    Nachdem er verschwunden war, sagte sie: »Götz macht so herrlich unanständige Bemerkungen.«
    »Über mich?«
    »Nein. Über mich.«
    Sie hieß Linda Terhaar und kannte viele amüsante Geschichten über die gute und bessere Gesellschaft Münsters, anwesende Personen eingeschlossen. Ich steuerte Anekdoten aus meinem Privatdetektivalltag bei, über denselben Personenkreis. Unser Spiel bestand darin, dass ich die Eigenschaften der Personen beschrieb, und sie die dazugehörigen Namen erraten musste. Sie war gut.
    Die Band spielte einen zweiten Durchgang.
    Linda vergnügte sich mit Wein, ich mit Wasser.
    Im Garten und im Haus wurde es leerer.
    Die Band hörte auf zu spielen.
    »Sie haben keinen Alkohol getrunken«, sagte Linda. »Hätten Sie etwas dagegen, mich nach Hause zu bringen?«
    Ihr Mann war weit weg. Ich hatte seit über einem Jahr nicht mehr mit einer Frau geschlafen. Sie sah nicht schlecht aus. Ich mochte ihre ironische Art. Ich sagte Ja.
    »Warten Sie«, sagte ich, als wir fast an der Haustür waren. »Ich habe etwas vergessen.«
    Ich ging zum Rosenstrauch zurück und holte das Buch von Wolfgang Schwarz.
    Linda lachte, als sie das Buch sah. »Wollen Sie das wirklich lesen?«
    »Mich interessiert, was meine Klienten denken.«
    »Das hat Wolfgang doch gar nicht selbst geschrieben. Zehn zu eins, dass der Text von Till Geskamp stammt.«
    »Das macht auch nichts.«
     
    Die Terhaars wohnten in einem weißen Haus an der Nordstraße, außerhalb des Rings.
    »Da wir unter uns sind, können wir mit dem blöden Gesieze aufhören«, sagte Linda. »Darf ich dir noch einen Espresso anbieten? Oder trinkst du zu späterer Stunde auch Alkohol?«
    »Nein«, sagte ich.
    »Wozu?«, fragte sie.
    »Zum Alkohol. Mit allem anderen bin ich einverstanden.«
    Zum Glück hatte ich meine Notfall-Nachtcreme dabei.
     
    Sie brachte mir eine Tasse Espresso. In der anderen Hand hielt sie ein Glas Champagner. Als sie sich neben mich setzte, streifte ihre linke Brust zufällig meinen Arm.
     
    Sie brauchte ziemlich lange im Badezimmer. Als sie ins Bett kam, roch sie nach Zimt oder irgendeinem anderen Weihnachtsgewürz.

VI
     
     
    Die Sonne schälte sich durch die bunten Vorhänge. Feuchte Herbstluft schwappte ins Schlafzimmer. Wir hingen unseren Gedanken nach. Linda hatte sich gleich nach dem Aufwachen ein Aspirin geholt. Ihre Munter- und Redseligkeit des vergangenen Abends war morgendlicher Kargheit gewichen. Ich wusste nicht, was ich gerade erlebte – den Beginn einer Affäre oder das Ende eines One-Night-Stands.
    »Das ist doch komisch«, sagte ich. »Sein Sohn steht vor der Aussicht, für etliche Jahre im Gefängnis zu verschwinden, und der Mann redet nur über Zigarren und seine Karriere.«
    Linda atmete aus. »Politiker sind eitel, mindestens so schlimm wie Schauspieler. Die denken zuerst an sich, dann an sich und dann erst an andere. Ich weiß, wovon ich rede. Ich bin mit einem Politiker verheiratet.«
    »Alle Menschen sind eitel«, widersprach ich. »Aber es gibt Momente im Leben, in denen anderes wichtiger wird. Wenn man einen Funken Gefühl im Leib hat.«
    »Politiker ticken anders. Hast du mal gesehen, wie ein Politiker Zeitung liest? Ich meine: ein wichtiger Politiker, nicht so ein Hanswurst auf den hinteren Bänken. Er steht unter Strom, seine rechte Hand zuckt ständig zum Telefon, er ist blind für seine Umgebung. Dabei interessieren ihn keine Meldungen, zu denen er sich nicht äußern kann oder muss. Unglücke,
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