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Der Minister und das Mädchen - Kriminalroman

Der Minister und das Mädchen - Kriminalroman

Titel: Der Minister und das Mädchen - Kriminalroman
Autoren: Grafit
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gegen die sie kämpften, hießen in der Diktion von Schwarz: Pessimismus, Vertrauen auf die alten Rezepte und Schielen nach trügerischen Mehrheiten. Als gute Geister, die den Rittern der modernen Politik zur Seite standen, tauchten die verstorbenen Großen in Schwarz’ Partei auf. Sie waren so gut, so edel und in ihrer Zeit so weitsichtig gewesen, dass man sich fragte, warum wir nicht längst in einer besseren Welt lebten.
    »Papa, mir ist langweilig«, sagte Sarah. Der Zeichentrickfilm war zu Ende.
    Wir spielten fünfmal Memory. Ich hatte keine Chance.
    Dann spielten wir ein Würfelspiel, bei dem Kinder lernen sollten, die Straße nur an Ampeln oder auf Zebrastreifen zu überqueren. Es war zum Gähnen pädagogisch.
    Wir aßen, und ich fragte Sarah vorsichtig über den Grund des Zerwürfnisses zwischen Imke und Chris aus. Sarah wollte nicht so recht antworten. Offenbar hatte es einige lautstarke Auseinandersetzungen gegeben, unter denen das Mädchen litt.
    Nach dem Essen spielten wir noch einmal Memory. Mit zunehmender Müdigkeit von Sarah kam ich besser ins Spiel.
    Als sie eingeschlafen war, schaute ich mir einen Actionfilm nach dem anderen an. Zwischendurch kamen Nachrichten. In Afrika und Afghanistan gab es die üblichen Kriege, Bill Clinton bemühte sich weiter, Oralverkehr als nicht sexuelles Verhältnis gesellschaftsfähig zu machen. Stoibers Krönung zum bayerischen König hatte der SPD einen Dämpfer verpasst, doch seitdem unsere jugendliche Familienministerin sich verplappert und eine baldige Erhöhung der Mehrwertsteuer angekündigt hatte, spürten Schröder und Lafontaine wieder Aufwind.
     
    Neben und über uns jaulten monströse Maschinen, dröhnte Lautsprechermusik, kreischten Menschen. Zum Glück war Sarah noch nicht in dem Alter, in dem es Spaß macht, sich zusammen mit Mami oder Papi herumwirbeln, auf den Kopf stellen oder auf eine andere Art malträtieren zu lassen. Allein die Vorstellung, in der Achterbahngondel zu sitzen, die hoch über unseren Köpfen schwebte, bereitete mir Fußsohlenkribbeln.
    Sarah zog eine gepflegte Karussellfahrt auf einem bunten Pferdchen vor, zu fast ebener Erde und in gemächlichem Tempo. Imke und ich standen am Rand und lächelten wie stolze Eltern.
    Eine glückliche Familie, die einen Sonntagsausflug zum Send machte.
    Chris sei ein Schwein, sagte Imke.
    Sarah hatte genug vom Karussellfahren und wollte eine Zuckerwatte. Sie bekam Zuckerwatte.
    Chris sei ein Arschloch, sagte Imke.
    Wir schlenderten an Buden vorbei, an denen man Lose kaufen, mit Lederbällen auf Dosen werfen oder mit gerollten Kugeln ein Pferderennen gewinnen konnte. Vor einer Geisterbahn für Kinder gab es eine kurze Diskussion, ob wir uns gemeinsam in einen Wagen setzen sollten. Im letzten Moment schreckte Sarah zurück, und wir quetschten uns weiter durch die Menschenmassen.
    Schlüters Boxbude existierte nicht mehr.
    Sie hasse Chris, sagte Imke.
    An einem Bratwurststand aßen wir Bratwurst und tranken Cola.
    »Gefällt es dir, Schätzchen?«, fragte Imke.
    Sarah nickte heftig. »Gut.«
    »Und dass Mama und Papa mit dir zusammen hier sind?«
    Sarah nickte zögernd. »Auch gut.«
    Wir schlenderten weiter. Die Menschenmenge schien noch zuzunehmen.
    »Hast du eine Freundin?«, fragte Imke.
    »Nein«, sagte ich.
    »Keine Affären?«
    »Nichts Ernstes.«
    »Und was macht deine Trinkerei?«
    »Ich bin seit zwei Jahren trocken.«
    Sarah wollte noch einmal Karussell fahren. Es war ein modernes Karussell, statt Pferdchen und Feuerwehrwagen kreisten kleine Raumschiffe. Wieder standen wir am Rand und lächelten.
    Mein Handy klingelte. Linda war dran.
    »Kommst du heute Abend vorbei?«
    »Ich weiß nicht, ob ich es schaffe. Ich rufe dich später noch mal an.«
    »Was ist das für ein Lärm im Hintergrund?«
    »Ich bin mit meiner Tochter auf dem Send.«
    Imke schaute mich forschend an.
    »Ich habe etwas Wichtiges für dich.«
    »Was denn?«
    »Das kann ich dir am Telefon nicht sagen. Es geht um den Fall, Christian Schwarz, du verstehst schon. Wenn das stimmt, was ich erfahren habe, ist er ganz erheblich entlastet.«
    Ich zögerte.
    »Was ist? Kommst du?«
    »Na gut. Ich komme.«
    »Um acht Uhr. Bei mir. Okay?«
    Ich steckte das Handy ein.
    »Wer war das?«, fragte Imke.
    »Eine Informantin. Es hat mit dem Fall zu tun, an dem ich gerade arbeite.«
    »Und sie hat dich zu sich eingeladen?«
    »Ja. Was ist daran merkwürdig?«
    »Ihr habt was miteinander.«
    »Quatsch. Es ist rein geschäftlich.«
    »Du lügst.«
    Ich
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