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Der Minister und das Mädchen - Kriminalroman

Der Minister und das Mädchen - Kriminalroman

Titel: Der Minister und das Mädchen - Kriminalroman
Autoren: Grafit
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Ich wohne nur auf Besuch. Ubrich ist weg, eine Reise.« Er schaute sich um. »Ich bin erst kurz hier. Weiß nicht, wo alle Sachen sind.«
    »Das macht nichts, Herr Garcia«, versicherte ich. »Sie wollen mir eine Geschichte erzählen, deshalb bin ich gekommen.«
    »Die Geschichte von Gudrun. Wo soll ich anfangen?«
    »Am besten vorne. Wo und wie haben Sie sie kennengelernt?«
    »Das war im Sommer. Fest an der Uni. Fest von ausländischen Studenten, vor dem Schloss. Musik, gutes Essen, Tanz bis in den Morgen. Ich habe getanzt, Gudrun hat getanzt. Sie ist eine wunderschöne Frau, Herr Wilsberg.«
    »Ja«, bestätigte ich. »Ich habe sie gesehen.«
    »Ich habe mich in sie verliebt, und sie sich in mich. Wir haben getanzt, bis, wie sagt man, die Sonne aufschritt.«
    »Sehr romantisch.«
    »Romantisch, ja. Alles war gut.«
    »Und dann?«
    »Wir sind zu ihr gegangen, in Studentenwohnheim an Horstmarer Landweg.« Die Gebetskette rasselte schneller.
    »Weiter, Herr Garcia!«
    »Ich bin nicht so ein Mann«, platzte es aus ihm heraus. »Es gibt Männer, die mögen das, auch in meiner Heimat. Ich nicht. Ich bin im Gefängnis gewesen, ich habe das am eigenen Leib erfahren. Ich hasse Fesseln und Folter.« Er sprach plötzlich klar und fehlerlos.
    »Sie müssen mir genauer erzählen, was passiert ist!«, insistierte ich.
    Sein Gesicht drückte Ekel aus. »Sie brachte Lederriemen, für Hände und Füße, und eine Peitsche.«
    Eine Peitsche! Das war eine Neuerung.
    »Ich sollte sie fesseln und auspeitschen.«
    »Und haben Sie es getan?«
    »Nein.« Er spuckte voller Verachtung auf den abgetretenen Teppich. »Ich war entsetzt. Ich war, wie sagt man, wie vereist. Hier unten«, er griff sich in den Schritt, »war es tot. Ich bin so schnell gegangen, wie ich gekommen bin.« Er schnaufte durch die Nase und schaute mich an. »Das ist die ganze Geschichte, Herr Wilsberg. Ich wollte vergessen, und ich habe vergessen. Bis zu dem Moment, in dem Gabi von Gudrun geredet hat. Sie hat mir Zeitung gezeigt, in der Sohn vom Politiker verdächtigt wird. Ich war, wie sagt man, erschauert. Er ist unschuldig, Herr Wilsberg. Es darf nicht sein, dass er ins Gefängnis kommt. Ich möchte helfen, das zu verhindern.«
    »Das können Sie am besten dadurch, dass Sie zur Polizei gehen und eine Aussage machen.«
    »Nein, nein.« Er schüttelte heftig den Kopf. »Das geht nicht. Ich habe mein Studium abgebrochen, bin durch die Prüfung gestürzt. Man wollte mich zwingen, Ihr schönes Land zu verlassen. Im letzten Moment habe ich eine Frau gefunden, die mich geheiratet hat. Zum Schein, verstehen Sie. Aber wir leben getrennt. Jetzt will sie sich scheiden lassen, will eine Familie haben. Wenn sie erfährt, was ich gemacht habe, tut sie es bestimmt.«
    »Sie haben doch nichts gemacht«, sagte ich.
    »Trotzdem. Sie ist eine sehr moralische Frau.« Die Gebetskette überschlug sich.
    »Falls Sie nicht bereit sind, vor Gericht als Zeuge auszusagen, wird Christian Schwarz verurteilt.«
    Sein Blick wirkte gehetzt. »Es war Fehler, dass ich mit Ihnen gesprochen habe.«
    »Nein, das war es nicht, Herr Garcia. Selbstverständlich muss ich respektieren, dass Sie anonym bleiben wollen. Ich möchte nur, dass Ihnen klar ist, wie die Lage aussieht. Vor Gericht zählt kein Hörensagen.«
    Er nickte. »Sagen Sie Christian, dass es mir leid tut.«
    »Das wird ihn kaum aufbauen. Aber vielleicht können Sie mir in anderer Hinsicht weiterhelfen: Kennen Sie jemanden, der ebenfalls diese spezielle Erfahrung mit Gudrun Benningdorf gemacht hat, einen Mann, für den es kein Risiko darstellt, vor Gericht auszusagen?«
    Ibrahim Garcia war den Tränen nahe. »Ich habe sie nie mehr wiedergetroffen. Es war doch nur eine Nacht, eine einzige Nacht.«
     
    Nach einem zweiten Frühstück in einem kleinen Café im Kreuzviertel kehrte ich ins Büro zurück und stieß auf Franka.
    Es war nicht zu übersehen, dass sich im Fall Tassilo Schmidt eine dramatische Zuspitzung ergeben hatte. Franka hatte ein blaues Auge.
    Sie grinste stolz. »Ich habe die Schweine erledigt.«
    »Du ganz allein?«
    »Bist du blöd? Ich habe zuerst die Bullen angerufen. Dann bin ich Tassilo zu Hilfe gekommen. Die wollten ihn zu fünft in die Mangel nehmen. Echt unfair. Einem von denen habe ich voll in die Eier getreten, der hat gequiekt wie ein junger Hund.«
    Ich deutete auf ihr blaues Auge. »Fünf gegen zwei ist immer noch ein ungesundes Verhältnis. Unsere Aufgabe bestand darin, zu observieren und zu identifizieren. Ich kann
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