Der Minister und das Mädchen - Kriminalroman
tatsächlich durch einen Unfall gestorben ist. Mag sein, dass sich Gudrun Benningdorf nur einbildet, verfolgt zu werden.«
Linda schnaufte empört. »Ich habe keine Ahnung, wovon du redest.«
Die Kellnerin brachte Lindas Mineralwasser. Vor nicht einmal sieben Tagen hatten wir stürmisch geflirtet. Es kam mir vor, als seien es Jahre.
»Wer hat dir gesagt, dass du mir die Geschichte von Ibrahim Garcia auftischen sollst?«
»Niemand.«
»Ich lasse die Sache nicht auf sich beruhen. Zwing mich nicht, dir zu drohen.«
Ihre Hände zitterten. »Womit willst du mir drohen?«
»Dein Mann wäre nicht erfreut, von unserer Liebesnacht zu hören.«
»Sag’s ihm!« Dunkelblaue Augen waren kalt wie Eiskristalle. »Wir sind fast zwanzig Jahre verheiratet. Glaubst du, mein Mann hat keine Affären? Wir lassen uns unsere Freiheiten – und achten auf Diskretion. Es gäbe eine harte Diskussion, und ich hätte ein paar unangenehme Tage. Das wäre alles.«
»Na schön. Dann gibt es noch die Möglichkeit, dass ich zur Polizei gehe. Die Hauptkommissarin Lassmann-Noeten ist ohnehin nicht begeistert von der Entwicklung, die der Fall genommen hat. Sie würde von dir wissen wollen, was es mit diesem Ibrahim Garcia auf sich hat. Das wäre unangenehm für dich und für deinen Mann.«
»Und für Wolfgang Schwarz«, sagte Linda.
»Ja.«
»Dein Auftraggeber.«
»Das nehme ich auf mich.«
Linda schaute zur Seite. Hinter den großen Glasfenstern erhob sich in voller Breite und erhabener Schönheit der Paulus-Dom.
»Till Geskamp hat mir von Ibrahim Garcia erzählt.«
Mein Puls raste, mein Mund war trocken. »Warum hat er es dir erzählt und nicht mir ?«
»Mein Gott, begreifst du das nicht? Du solltest es herausfinden, du solltest die Benningdorf überführen. Wolfgang und Till wollten deinen Erfolg als Eventinszenieren, wie es ja auch geschehen ist. Natürlich hätte Till mit Garcia zur Polizei marschieren können. Aber dann wäre die ganze Sache nur halb so medienwirksam gewesen.«
»Wann hat er dich auf mich angesetzt? Vor oder nach der Party?«
Sie wand sich. »Vorher. Aber denk nicht …«
Ich kam mir vor wie ein Idiot. »Was? Dass die ganze Geschichte abgekartet ist? Dass du der Lockvogel warst, auf den ich hereingefallen bin? Eine kleine Affäre, um Vertrauen aufzubauen, damit ich später nicht lange nachfrage, wenn du mir die heiße Information rüberreichst. Vermutlich ist sogar dein Mann eingeweiht, schließlich sitzt er im Parteivorstand, und wenn Schwarz Minister wird, hat er gute Chancen, die Karriereleiter hinaufzufallen. Da nimmt man schon mal in Kauf, dass die eigene Frau mit einem miesen, kleinen Privatdetektiv ins Bett geht. Warum hast du dich an diese Arschlöcher verkauft, Linda?«
Sie stammelte: »So war es nicht. Ich meine, am Anfang vielleicht schon. Ich habe es als Abenteuer angesehen. Aber dann mochte ich dich wirklich gern. Ich habe mich, ob du’s glaubst oder nicht, ein bisschen in dich verliebt. Dass ich mit dir geschlafen habe, war ganz allein meine Entscheidung.«
Ich zitterte am ganzen Körper.
Wieder fuhr ich mit dem Zug nach Bonn. Diesmal weit weniger entspannt als beim letzten Mal.
Es war nicht einfach gewesen, Till Geskamp ans Telefon zu bekommen. Er saß in irgendeiner Kommission, die bereits die Posten verschacherte, die seine Partei erst noch erringen wollte. Ich musste eine Sekretärin anbrüllen und ihr den Verlust ihres Arbeitsplatzes androhen, bevor sie mich durchstellte.
Geskamp wollte mich abwimmeln. Aber damit kam er bei mir nicht durch. Ich wusste genug, um ihn unter Druck zu setzen.
»Jetzt tu bloß nichts Unüberlegtes!«, beschwor er mich. Ich hörte, dass in seinem Kopf ein Geläut von Alarmglocken einsetzte.
Er schlug vor, dass wir uns im Japanischen Garten in der Rheinaue treffen sollten, seine Kommission tage ganz in der Nähe. Ich sagte, mir sei jeder Ort recht, solange er unbewaffnet käme.
Er zwang sich, über meinen Scherz zu lachen.
Die Rheinaue schloss sich rheinaufwärts an das Regierungsviertel an. Nachdem der Sommer endlich vorbei war, brannte die Sonne richtig heiß vom Himmel. Am Rheinufer und auf den angrenzenden Wiesen saßen und lagen ungestresste Menschen, nicht einmal ein rennender Joschka Fischer störte die Idylle.
Ich kam an einer Gartenwirtschaft vorbei, die auf weinbewachsenen Hügeln stand, und fand den Japanischen Garten . Er war nicht mehr als ein hinterhofgroßes, bambusumzäuntes Rechteck, dessen Fläche zum größten Teil von einem
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