Der Minister und das Mädchen - Kriminalroman
leicht mal ein Unfall passieren.«
Franka spuckte ein Stück Fingernagel auf den Teppich.
»Ich sage dir, was ich mache: Ich rufe Stürzenbecher an. Und wenn nur der leiseste Zweifel an der Unfalltheorie besteht, nehmen wir uns der Sache an, okay?«
Franka würdigte mich keines Blickes.
Stürzenbecher war noch im Büro. »Überstunden, was denn sonst«, knurrte er. »Wenn ich meine ganzen Überstunden abfeiern würde, könnte ich jetzt schon in Pension gehen. Herzlichen Glückwunsch, übrigens. Dein Erfolg hat sich im Präsidium herumgesprochen. Die Lassmann-Noeten ist seitdem ungenießbar. Sie kaut schwer an ihrer Niederlage.«
Ich brachte mein Anliegen vor.
»Ja, die Prückner-Sache ist routinemäßig auf meinem Schreibtisch gelandet. Wegen der Verbindung zum Fall Benningdorf bin ich hellhörig geworden. Aber es ist nichts dran. Die Spurensicherung sagt, dass es keine Anzeichen für Fremdeinwirkung gibt. Ein Wagenheber ist umgekippt, und ein paar hundert Kilo haben Prückner gegen die Wand gedrückt. Ein Scheiß-Tod, wenn du mich fragst. Prückners Mitbewohner haben ausgesagt, dass niemand sonst auf dem Hof war.«
Ich teilte Franka mit, was ich erfahren hatte. »Siehst du! Mord und Verfolgung sind ein Produkt von Gudrun Benningdorfs überspannter Fantasie.«
»Du nimmst mich nicht ernst«, fauchte Franka. »Ich weiß , dass sie verfolgt wird.«
Ich verdrehte die Augen. »Dann soll sie doch zur Polizei gehen. Die ist dafür zuständig, ihr zu helfen.«
»Zur Polizei? Die glauben ihr doch kein Wort mehr.«
»Eben.«
Franka stand auf. »Ich reiß mir für dich den Arsch auf, Georg. Und ich erwarte, dass wir uns um Gudrun Benningdorf kümmern. Andernfalls kündige ich auf der Stelle.«
»Na schön«, lenkte ich ein. »Das ist ein Argument. Falls etwas faul ist, werden wir es auf den Tisch bringen. Gleich morgen früh fange ich damit an. Heute bin ich zu erledigt.«
XI
Versprochen war versprochen. Ich hatte den Fall relativ schnell gelöst und dabei gutes Geld verdient. Also konnte ich es mir leisten, einen Tag dranzuhängen, um Frankas Zweifel zu zerstreuen. Vielleicht auch meine eigenen.
Während ich an der dritten Vollkornfrühstücksschnitte kaute, überlegte ich, womit ich anfangen sollte. Wer oder was hatte mich auf die entscheidende Spur gebracht? Linda Terhaar mit ihrem Hinweis auf Ibrahim Garcia. Sie hatte mir den Namen ihrer Freundin, deren Tochter angeblich mit Ibrahim Garcia liiert war, verschwiegen. Je länger ich darüber nachdachte, desto mehr kam ich zu dem Entschluss, dass ich noch einmal mit Linda sprechen musste. Es würde ihr wahrscheinlich nicht gefallen, aber schließlich waren wir keine Teenager mehr, sondern erwachsene Menschen, die zwischen Gefühl und Geschäft unterscheiden konnten.
Ich stellte meine Frühstückssachen in den Kühlschrank zurück, verstaute das dreckige Geschirr auf der Spüle neben dem dreckigen Geschirr der letzten Tage und ging ins Büro, um Lindas Nummer im Telefonbuch nachzuschlagen. Da kam mir eine zweite, noch bessere Idee: Warum nicht mit Ibrahim Garcia beginnen? Möglicherweise hatte er eine Ahnung, wo sich Gudrun Benningdorf aufhielt.
Zehn Minuten später stand ich vor dem Haus in der Coerdestraße und schellte bei W. Ubrich. Der Türöffner summte, und ich stieg die Treppe hinauf. Aber nicht Ibrahim Garcia, sondern eine junge Frau erwartete mich. Sie trug eine dunkelgraue Jeans, einen hellgrauen Pullover und eine Hornbrille. In Münster ließ das nur einen Schluss zu: Es handelte sich um eine Studentin.
»Guten Tag«, sagte ich. »Ich möchte mit Ibrahim Garcia reden. Ist er da?«
Die durch die Brille leicht vergrößerten Augen guckten verständnislos. »Wer?«
»Ibrahim Garcia. Ich habe vor drei Tagen mit ihm gesprochen. In dieser Wohnung.« Ich zeigte auf die Räumlichkeiten hinter ihrem Rücken.
»In meiner Wohnung?« Ihr weiches Kinn zuckte. »Wollen Sie mich hochnehmen? Ist das irgendein Trick?«
Ich schaute mich um. Hatte ich mich im Stockwerk geirrt? »Sie sind W. Ubrich?«
»Mein Name ist Ubrich, ja.«
»Und Sie wohnen allein?«
»Richtig.«
»Ich bin sicher, dass ich Ibrahim Garcia hier getroffen habe. Waren Sie vor drei Tagen in Münster?«
»Nein, ich habe eine Reise gemacht. Ich bin erst gestern zurückgekommen.«
»Besitzt außer Ihnen noch jemand einen Schlüssel zu dieser Wohnung?«
Eine spitze Zunge erschien in ihrem geöffneten Mund. »Es gefällt mir nicht, wie Sie mich ausfragen. Ich glaube, wir beenden
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