Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)
Wasser in einen Becher und trank. Er fuhr sich mit der Hand über den Mund und sah sich im Zimmer um. Seine Koffer würde er morgen auspacken, die Bücher zur Arbeit sortieren ...
Sein Blick fiel auf das verschnürte Bündel, das ihm Eleonore Böttiger übergeben hatte und das nun auf einer Ecke des Sekretärs lag. Er trat näher. Was mochte sich unter dem Papier verbergen? Möglicherweise eine Leckerei, Zuckerwerk, um dem jungen Gast die Eingewöhnung in die neue Umgebung zu versüßen … nein, dafür war das Paket zu schwer. Lewis griff in seine Reisetasche, holte das Schreibzeug hervor und griff nach dem Federmesser.
Geschickt kappte er die Schnüre des Bündels, ohne sich mit den sorgfältig gebundenen Knoten abzumühen, und schlug das Papier auseinander. Er setzte sich. Bücher. Eleonore Böttiger hatte ihm vier Bücher übergeben. Auf dem obersten lag ein kleiner Abschnitt feinen Briefpapiers, mit zierlicher Handschrift versehen.
Werter Master Lewis.
Ich hoffe, diese Lectüre wird Ihnen neben den harten Stunden des Studirens ein wenig Zerstreuung bieten. Auch ich habe diese Werke mit Amusement gelesen. Lassen Sie dies aber ein Geheimnis zwischen uns bleiben und erwähnen Sie es meinem Manne gegenüber nicht, der diese Art Bücher für Damenaugen für nicht convenable hält.
Mit vorzüglichem Gruß,
Eleonore Böttiger
Lewis lachte leise und nahm den ersten Band auf.
Carl Friedrich Grosses Genius . Darunter lag Das Petermännchen von Christian Heinrich Spieß, eine Ausgabe des Hochwaldnebels von Friedrich Gotthold Loeffler und schließlich noch Der Geisterbanner des Lorenz Flammenberg. Er schlug diesen auf und sah in der ihm bekannten Handschrift den Namenszug Eleonore Böttigers. Zweifellos handelte es sich nicht um dieselben Bände, die ihm der Gymnasialdirektor in seinem Arbeitszimmer gezeigt hatte.
Lewis wiegte den Kopf. Wenn alle Deutschen in so großer Zahl jene Schauer- und Geistergeschichten besaßen, so musste es in deren Köpfen gewaltig spuken. Nicht zuletzt deswegen, weil ein jeder mit seinen Geistern im Kopfe allein war – sollte er sich nicht anderen mitteilen können, ob nun aus Gründen der Schicklichkeit, des Anstandes oder des Geschmackes.
Lewis legte die Bände auf das Schreibpult zurück. Draußen rief der Nachtwächter etwas, das Lewis nur schwer verstehen konnte. Gleichwohl erinnerte es ihn daran, dass es spät war. Er entledigte sich der Weste, der Hosen und der Strümpfe und wollte gerade die Kerze löschen, um unter die Laken zu schlüpfen, als sein Blick erneut auf die Bücher fiel. Er griff den obersten Band, trug ihn mitsamt der Kerze zum Bett und richtete sich dort zum Lesen ein.
Die Flamme flackerte ein wenig, als er die erste Seite des Geisterbanners aufschlug. Kurz fragte er sich, wie man einen Geist und eine Fahne zusammenbringen konnte, dann begann er die ersten Zeilen zu betrachten. Langsam arbeitete er sich vor, glitt von Wort zu Wort, von Satz zu Satz und hatte bald den groben Zusammenhang begriffen: Eine räuberische Bande von Geheimbündlern trieb im Schwarzwald ihr Unwesen und hatte ihr Lager in einem von Geistern heimgesuchten Schloss aufgeschlagen.
Lewis rieb sich die Augen. Das war tatsächlich das Garn, das empfindsame Gemüter erschüttern und nächtelang wachhalten konnte. Er las weiter, so gut er es vermochte, wobei er bemerkte, dass er im mündlichen Deutsch schon wesentlich bewanderter war. Seite um Seite verfolgte er das wüste Geschehen, wobei ihm die Lider immer schwerer wurden und sich die ersten Truggebilde seiner Träume in die Handlung zu mischen begannen. Schließlich erlosch die niedergebrannte Kerze, und im selben Moment war auch Lewis in tiefem Schlaf versunken, während das Buch geräuschlos aus seiner erschlafften Hand zu Boden glitt.
In der Nacht erwachte Lewis einige Male, da er glaubte, das Rascheln von Papier zu hören.
Am nächsten Morgen weckte ihn die Sonne, die aufdringlich ins Zimmer stach. Lewis blinzelte und war für einen Moment verwirrt. Doch als er ihm gegenüber den Sekretär mit den Büchern und seine Gepäckstücke sah, entsann er sich wieder des vorigen Tages.
Er setzte die Füße auf den Boden und konnte dabei knapp dem Band ausweichen, der mit gespreizten Blättern wie ein Zeltchen auf den Dielen stand. Lewis angelte mit einem Ächzen nach dem Buch. Die Seiten raschelten. Ein paar Worte des Textes fielen ihm ins Auge, und er nickte sachte, als er sich seiner wirren Träume in der Nacht erinnerte. Eine graue Frau,
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