Der Mönch und die Jüdin
bläuliche Farbe angenommen. Radulfs Blick ging wirr ins Nichts, und sein Mund brabbelte krächzend völlig Unverständliches vor sich hin. Der Übersetzer war verstummt. Bleich und erschöpft stand er neben seinem offensichtlich dem Wahnsinn verfallenen Herrn.
Doch noch waren nicht alle Gefolgsleute des unglückseligen Radulf besiegt. Noch immer schwangen einige von ihnen die Äxte. Wenn auch kein Sieg mehr möglich schien, wollten sie doch kämpfend sterben, um den versprochenen Platz im Himmel zu erlangen. Ein paar hatten Konrads Erschöpfung bemerkt und näherten sich drohend. Vagabundus, der mit seinen Vorderhufen schon schlimm unter den Radulf-Kämpfern gewütet hatte, stieg hoch und trat dem ersten Angreifer gegen die Brust, so dass dessen Rippen brachen. Doch diesmal war Konrad zu erschöpft, um sich im Sattel zu halten. Er stürzte vom Pferd und landete unsanft im Gras.
Anselm kämpfte vielleicht fünfzehn Schritte entfernt. Er hatte fürchterlich unter den Gegnern gewütet und gleichzeitig unermüdlich seine eigenen Ritter und Fußtruppen angefeuert und dirigiert. Ihm war von allen am meisten zu verdanken, dass der Sieg nahe war. Als er Konrads Missgeschick sah, drehte er sich im Sattel um und rief: »Halt aus, mein Sohn! Ich komme und helfe dir!«
Diesen kurzen Moment der Unachtsamkeit nutzte ein Feind aus und rammte dem Marschall mit voller Wucht einen Spieß in die linke Seite. Die Spitze der Waffe durchschlug das Kettenhemd, spaltete den Lederschutz darunter und drang zwischen den Rippen tief in Anselms Brust, dicht unter dem Herzen. Außer einem leisen Stöhnen gab der Marschall keinen Laut von sich. Langsam kippte er zur Seite, stürzte vom Pferd und blieb reglos liegen.
»Vater!«, rief Konrad, und dann schrie er mit aller Kraft: »Der Marschall! Der Marschall ist verwundet!«
Der Feind, der Anselm den Stoß versetzt hatte, zog ein Kurzschwert, um sich zu dem Heermeister herabzubeugen und sein grausiges Werk zu vollenden. Doch da hatte Konrad schon seinen Dolch gegriffen, der ihm im Fallen aus der Hand geglitten war und neben ihm lag. Er sprang auf, ein unkontrollierter, wilder Kampfesschrei löste sich aus seiner Kehle, und er stürzte sich auf den viel größeren und stärkeren Gegner. Der Mann versuchte, einen Abwehrstreich mit dem Schwert zu führen, doch er war viel zu langsam, und Konrad stieß ihm den Dolch mit voller Wucht ins Herz. Radulfs Jünger starb mit schreckgeweiteten Augen.
***
Sofort waren Rainald von Falkenstein und andere Ritter zur Stelle. Sie erschlugen alle Feinde, die in Konrads und Anselms Nähe noch aufrecht standen. Während die letzten Anhänger Radulfs, die sich schützend um den Wagen ihres Apostels geschart hatten, überwältigt wurden, trug man den Marschall vom Schlachtfeld. Konrad wich seinem Vater nicht von der Seite. Anselms Gesicht war bleich, seine Lider flatterten, sein Atem ging schnell und stoßweise.
Sie legten ihn auf eine Bahre und brachten ihn in die Burg. Dort betteten sie ihn nicht zu den anderen erzbischöflichen Verwundeten, sondern trugen ihn in ein ruhiges Zimmer im oberen Stockwerk des Palas.
Vor dem Zimmer gab es einen Flur mit einem Fenster nach Westen. Dort musste Konrad warten, während drinnen Brigid um das Leben ihres Vaters kämpfte. Konrad schaute hinunter auf das Schlachtfeld. Der Erzbischof hatte Radulf und den Benediktinermönch in Ketten legen lassen. Er ordnete an, dass sie nach Köln gebracht und dort auf dem Domplatz vor dem Volk enthauptet werden sollten, zur Mahnung und Abschreckung für alle, die sich von Radulfs Hassparolen hatten verführen lassen.
Die Bauern von Vineberg hatte man dazu herangezogen, die Leichen der Feinde wegzuschaffen. Wie es Sitte war, wurden die toten Körper einfach zu Haufen aufgeschichtet und verbrannt. Angewidert wandte sich Konrad vom Fenster ab und setzte sich müde auf eine Bank.
Sein Rücken schmerzte, sein rechter Arm fühlte sich immer noch schwer und taub an. Er wusste nicht, wie viele Feinde er verwundet oder gar getötet hatte. Fast schien es ihm, als besäße dieser uralte magische Dolch tatsächlich ein Eigenleben, wie Brigid gesagt hatte. Er schien Konrad regelrecht die Hand geführt und zielsicher seine Opfer gefunden zu haben.
Vielleicht war Konrads Hand aber auch von seinem brennenden Zorn über Gilberts Tod geführt worden. Der bestialische Mord an diesem Mann, der so wahrhaft fromm und friedliebend gewesen war, erschien ihm unbegreiflich. Sogar noch Radulf, diesem
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