Der Mörder mit dem grünen Daumen: Ein Kriminalroman mit vielen Gartentipps
jedoch niemals tun, weil es grausam sei:
„Bierfallen aufstellen, in denen viele Schnecken ertrinken.
Ja, da staunst du, was? Nicht nur Männer sind verrückt
nach Bier.“
Tom hatte sich die
Bemerkung verkniffen, dass er sich eher für einen Weinliebhaber
hielt, und Sabine hatte ihn ungerührt weiter zugetextet. „Auch
Gift würde ich niemals einsetzen. Am natürlichsten ist es
doch, wenn man Nützlinge für sich arbeiten lässt. Es
gibt so viele Tiere, die auf Schneckenjagd gehen: Maulwürfe zum
Beispiel, Spitzmäuse, Igel, Kröten und Blindschleichen,
aber auch große Laufkäfer, die Larven von Glühwürmchen,
Amseln und Drosseln. Selbst Hühner und Indische Laufenten kann
man auf Schnecken loslassen. Und – last but not least –
fressen Weinbergschnecken die Eier ihrer Artgenossen. Nicht alle
Schnecken sind also Schädlinge. Ist das nicht toll, wie die
Natur alles selber reguliert?“
„ O ja“,
hatte Tom lahm geantwortet, „und es ist auch viel weniger
grausam, bei lebendigem Leibe aufgefressen zu werden als zu
ertrinken oder an Gift zu sterben.“ Sabine hatte den
sarkastischen Kommentar geflissentlich überhört und
endlich das Thema gewechselt. Immerhin war es ihr gelungen, ihren
Bruder eine Zeitlang von seinen Sorgen abzulenken.
Während Tom am
Geländer so vor sich hin sann, fiel ihm plötzlich auf,
dass das Brummen, das er vorhin vernommen hatte, jetzt viel lauter
war und von einem Dieselmotor herrührte. Gleich würde
unter der Brücke ein Wagen hervorkommen.
Tom blickte zu seiner
Schwester, von der ihn nur noch wenige Meter trennten. Da hörte
er, wie das Fahrzeug mit hoher Geschwindigkeit zwischen den
Brückenpfeilern hindurchschoss. Er drehte seinen Kopf und sah
die Rückseite eines weißen, schmutzigen Kleinlasters mit
einer offenen Pritsche voller Grünschnitt. Tom hatte keine
Ahnung warum, aber für den Bruchteil einer Sekunde durchzuckte
ihn das Bild einer Schlange, die sich um einen menschlichen Körper
wand. Dann sah er es ganz deutlich, wenn auch nur einen Augenblick
lang: eine Hand, die aus dem Grünschnitt herausragte! Aber
schon war der Kleinlaster um eine Linkskurve gefahren und wieder im
Wald verschwunden.
2
„ Pause“,
forderte Sabine keuchend, als sie endlich neben ihrem Bruder
angelangt war. In ihrer Erschöpfung bemerkte sie zunächst
nicht, dass der wie gelähmt auf die Landstraße starrte.
„ Hast du ein
Gespenst gesehen?“
„ Der, der, der
Lastwagen“, stotterte Tom. „Hast du den gesehen?“
„ Nein, nur
gehört.“
„ Da, da lag eine
Leiche auf der Pritsche.“
„ Was?“
„ Ja, ich hab’
es deutlich gesehen! Eine Hand hat aus dem Grünschnitt
herausgeragt. Wir müssen sofort die Polizei rufen.“
„ Nun mal
langsam!“ Sie sah ihn skeptisch an. „Was genau hast du
gesehen? Eine Leiche oder nur eine Hand? Und was für
Grünschnitt?“
„ Der Kleinlaster
war voll beladen mit Pflanzen oder eher Pflanzenteilen:
abgeschnittene Äste und Zweige, alles mögliche Grünzeug
eben. Und daraus ragte eine Hand hervor.“
„ Also keine
ganze Leiche.“
„ Nein, das
heißt, ja. Was sollte es denn sonst gewesen sein?“
„ Na zum Beispiel
irgendetwas, das wie eine Hand aussah, vielleicht ein merkwürdig
geformter Zweig. Bist du dir denn absolut sicher?“
Tom stieß einen
ärgerlichen Seufzer aus. „Was auf dieser Welt ist schon
absolut sicher?“
Sabine lachte. „Da
kommt mal wieder der Philosoph zum Vorschein. Aber im Ernst:
Könntest du dich nicht getäuscht haben? Es ist schon
ziemlich dämmrig und so schnell, wie der Laster sich anhörte,
kannst du ihn nur für ein paar Sekunden gesehen haben. Und
außerdem, mein Lieber: Ich will dir nicht zu nahe treten, aber
ganz nüchtern bist du auch nicht mehr.“
„ Ja, eure
Heiligkeit, ich weiß“, fuhr Tom auf. „Ich lasse
mich in letzter Zeit zu sehr gehen, bin gereizt und launisch und
trinke zu viel Alkohol. Und jetzt habe ich auch noch
Halluzinationen. Das ist es doch, was du sagen willst, oder?“
„ Tom, ich kann
mir vorstellen, was du durchmachst. Dass du impulsiv reagierst,
dafür habe ich vollstes Verständnis. Ich möchte nur
nicht, dass du etwas tust, was du später bereuen könntest.
Überleg’ erst mal in Ruhe, ob du deiner Beobachtung
trauen kannst. Du bist doch von uns
beiden der Rationalist.“
Tom machte ein
nachdenkliches Gesicht. „Ich war mir sicher, etwas gesehen zu
haben“, murmelte er. „Wenn es nun doch eine Hand war?“
„ Dann könnte
es dafür immer noch eine völlig
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