Der Mörder von Richmond Hill Kommissar Morry
bitte nicht meine kostbare Zeit. Schließlich habe ich ein wenig mehr zu tun als den Hypothesen eines Kriminalisten zu lauschen. Julia ist tot. Ich habe von Anbeginn kaum ein Hehl daraus gemacht, daß mir das nicht nahe geht. Es ist auch nicht meine Aufgabe, den Mörder zu suchen und zu finden. Das ist allein Ihre Arbeit. Sie vergeuden jedoch Ihre Zeit, wenn Sie glauben, ihn in diesen Räumen zu entdecken."
Zu Carters Überraschung erhob sich der Kommissar ohne einen weiteren Einwand.
„Ich werde ihn finden, darauf können Sie sich verlassen", sagte er ruhig und ging zur Tür. „Viel Glück bei der Suche!" meinte Carter spöttisch.
*
Als Carter an diesem Abend zu später Stunde nach Hause kam, herrschte ein Wetter, das an jene Nacht erinnerte, in der Julia Hopkins gestorben war. Er fuhr den Wagen in die Garage, lief rasch zum Vordereingang und schloß die Tür auf. Bevor er ins Innere des Gebäudes trat, warf er einen Blick über die Schulter. Er sah die schwarzen Schatten unter den tropfenden Bäumen und hinter den Büschen. Zum erstenmal spürte er, wie ein Empfinden kalter Furcht gleich einem klebrigen Tier über seine Haut kroch.
„Quatsch!" murmelte er unwirsch und öffnete die Tür. Er knipste das Licht an. Während er den Mantel auszog, dachte er mit Befriedigung daran, daß sich seit zwei Tagen an der Tür des Hinterausgangs ein Sicherheitsschloß befand.
Er warf einen prüfenden Blick in den Spiegel der Garderobe, zog sich die Krawatte zurecht und ging in den Salon. Entgegen seiner Gewohnheit ließ er in der Halle das Licht brennen. Er hatte schon in der Stadt gegessen. Mit einem leichten Mißbehagen erinnerte er sich daran, daß Gladys Brooks, die ihm dabei Gesellschaft geleistet hatte, nicht bereit gewesen war, mit ihm zu kommen. Sie fürchtete sich. Na ja, man konnte ihr das kaum verdenken. Carter nahm ein Glas und füllte es mit Whisky. Als er einen Eiswürfel in das Glas warf, schien ihm, als habe er noch ein anderes Geräusch vernommen. Er spürte wieder das beunruhigende Frösteln auf der Haut und blickte sich im Raum um. Er konnte nichts Verdächtiges bemerken. Langsam ging er zum Radio und stellte es ein. Noch ehe das Gerät warm geworden war, klingelte das Telefon. Carter nahm einen Schluck aus dem Glas und eilte hoffnungsfroh auf den Apparat zu. Vielleicht war es Gladys Brooks, die ihre dumme Furcht überwunden hatte und nun doch bereit war, ihn zu besuchen.
„Jonathan Carter", meldete er sich.
„Ich hoffe, Sie erkennen meine Stimme, Carter?"
„Natürlich, mein Freund! Aber warum, um alles in der Welt, melden Sie sich nicht mit vollem ..."
„Psst!" machte die Stimme am anderen Ende der Leitung. „Keine Namen nennen! Ich halte es nicht für ausgeschlossen, daß man den Apparat überwacht."
„Ihren oder meinen?"
„Ihren natürlich!"
„Da können Sie recht haben. Ich hoffe es fast. Dann müssen sich die Dummköpfe von der Polizei anhören, was ich von ihnen denke und für wie beschränkt ich sie halte. Können Sie sich vorstellen, daß der Kommissar allen Ernstes zu glauben scheint, ich könnte der Täter sein? Eine wahrhaft absurde Vorstellung!"
„Sind Sie allein?"
„Ja, warum?"
„Ist es Ihnen recht, wenn ich Sie besuche?"
„Ja, kommen Sie. Wann werden Sie hier sein?"
„In zwanzig Minuten."
„Bringen Sie doch Ihre Schwester mit!"
„Tut mir leid, sie ist in Cornwall."
„Schade. Ich erwarte Sie also allein."
Carter legte den Hörer auf die Gabel zurück und ging an das Buchregal. Er nahm einige Bücher heraus, griff durch die entstandene Öffnung und fingerte nach seiner Luger. Als er sie in der Hand hielt, prüfte er das Magazin, ließ den Sicherheitsflügel vor und zurück schnappen und schob schließlich die Waffe in seine Jackettasche. Da die Pistole die Tasche zu stark ausbeulte, nahm er sie wieder heraus und legte sie nach kurzem Nachdenken unter eines der Kissen, die auf der blutroten Couch lagen.
Er mußte eine halbe Stunde warten. Dann klingelte es. Er ging in die Halle und öffnete die Tür. Vickers kam sofort herein. Er trug einen Trenchcoat und einen modernen Hut mit schmaler Krempe. Er nahm den Hut ab und schüttelte sich mit ärgerlicher Miene. „Sauwetter!"
Carter nickte. Er nahm dem Besucher Hut und Mantel ab. „Ich mußte vorhin daran denken, daß es das gleiche Wetter ist wie neulich, als es Julia erwischte."
Vickers lächelte.
„Halten Sie das für ein böses Omen?"
„Ich bin nicht abergläubisch", erwiderte Carter.
Sie
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