Der Mond im See
einen kleinen Schluck von dem Ginfizz, den sie uns gemixt hatte, und meinte dann entschieden: »Das glaube ich dir nicht.«
»Aber es ist so. Wo sollte ich eine Frau hernehmen? Du weißt, daß ich nicht mit jeder ersten besten so ohne weiteres –, na, du weißt schon. Schließlich war ich dir doch zwei Jahre lang treu. Ich habe keine andere angesehen, solange du bei mir warst.«
Das rührte sie. »Wirklich? Ja, ich glaube, du warst mir wirklich treu.«
Was mit mir passiert wäre, wenn ich es nicht gewesen wäre, daran wage ich heute noch nicht zu denken. Außerdem: wann? Solange Bibiana mein Leben teilte, gab es nicht eine Stunde – ach, was sage ich, nicht eine Viertelstunde darin, die sie nicht kontrolliert hätte. Sogar im Fasching. Wir waren häufig auf Faschingsfeste gegangen. Das spielte sich dann so ab: Wir hatten zwei Plätze an einem Tisch, manchmal waren wir auch ein größerer Kreis, und irgendwann, so nach den ersten beiden Flaschen Sekt und einigen Tänzen, erlaubte mir Bibiana großzügig: »So, jetzt kannst du dich mal selbständig machen. Im Fasching gibt es freie Partnerwahl. In einer halben Stunde treffen wir uns wieder hier am Tisch.«
Was, so frage ich, soll ein eroberungssüchtiger Mann in einer halben Stunde anfangen? Jede halbwegs flotte Biene war um diese Zeit sowieso in festen Händen. Fand ich noch etwas Annehmbares, so reichte es gerade für zwei Tänze, ein hastiges Glas Sekt an der Bar, dann mußte ich mich wieder zur Stelle melden. Zu dem Mädchen zu sagen: Warte hier, in einer Stunde bin ich wieder da, da habe ich wieder frei, war Unsinn. Die wartete nicht.
Wer nur manchmal wartete, das war ich. Auf Bibiana. Sie überschritt gelegentlich die Frist von einer halben Stunde. Aber man konnte sich nie darauf verlassen. Jedoch, sie warten zu lassen, das wagte ich nie. Bibiana in ihrem Zorn war fürchterlich. Das würde Hermann eines Tages auch noch entdecken.
»Nicht verliebt in den zweieinhalb Jahren?« fragte sie erstaunt.
»In wen denn?«
»Na, es heißt doch, die Inderinnen seien so hübsche Frauen.«
»Bei uns da draußen gibt es nichts, was mich eventuell interessieren würde. Das, was zu haben war – nein, ohne mich. So weit solltest du mich kennen.«
»Das freut mich zu hören«, sagte sie. Und hellsichtig fügte sie hinzu: »Da hast du dich sicher sehr auf deinen Urlaub gefreut.«
»Ja.«
Eine Weile blickten wir uns schweigend an, ich wußte, was sie dachte, und sie wußte, was ich dachte. Angenommen, es gäbe keinen Hermann? Und nicht das nagelneue Kind? Angenommen, ich hätte sie vorgefunden, wie ich sie verlassen hatte, im Vorzimmer meines Chefs, hübsch, stattlich, appetitlich, immer fesch angezogen – Teufel, Teufel! Diesmal wäre ich nicht davongekommen. Sie war ein anderes Kaliber als die kleine Erika. Und als ich das dachte, hatte ich ein großes Verlangen danach, sie in die Arme zu nehmen.
»Das wäre ein Wiedersehen geworden«, sagte sie ein wenig träumerisch, und, wie ich mir einbildete, ein wenig sehnsüchtig.
»Ja,«, bestätigte ich. »Da wäre was los gewesen.«
Sie lachte und stand auf. Ging ins Nebenzimmer, nach dem Kind zu sehen, das schlief.
Dann kam sie wieder, setzte sich auf meine Sessellehne, nahm meinen Kopf in ihre Arme und drückte ihn an ihre festen, vollen Brüste. »Fast schade drum, nicht?«
»Du hast mir gerade vorhin gesagt, Hermann war die bessere Partie.«
»Das war er auch.«
»In jeder Beziehung, hast du gesagt.«
»Hm. Na ja, so fast in jeder Beziehung.«
Mir wurde heiß. Sie roch gut, ihre Arme hielten mich fest wie früher auch, und meine Wange lag so weich und warm und – ich war schließlich nicht aus Holz! Das war ausgesprochen gemein von ihr.
»Du wolltest mir erzählen, wie du ihn kennengelernt hast«, sagte ich heiser.
Sie lachte und stand auf. »Ist doch nicht so wichtig. Ich kann mir nicht vorstellen, daß dich das interessiert.«
»Doch. Es interessiert mich. Wo und wann und wie? Und vor allem, warum du mich so schnell vergessen hast.«
Ich atmete auf, als sie wieder in ihrem Sessel saß. Wie gut, daß es diesen Hermann gab. Sie machte die Erzählung kurz, sie war keine Frau, die stundenlang ihr Liebesleben vor einem ausbreitete. Wie, wo und wann – kurz und sachlich, und warum sie mich so schnell vergessen hatte? Das hatte sie gewollt. Peng, da hatte ich es.
»Du mußt das verstehen«, sagte sie.
Ich nickte. »Ich verstehe es ja.«
Doch dann ließ sie mich nicht weg, ohne daß ich etwas gegessen
Weitere Kostenlose Bücher