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Der Mond im See

Titel: Der Mond im See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Danella Utta
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hatte. »Du hast eine weite Fahrt vor dir. Ich brate dir schnell ein Schnitzel, ich habe Fleisch da.«
    »Das ist doch sicher Hermanns Schnitzel.«
    »Er bekommt ein anderes. Er kommt erst am Abend.«
    Ich bekam also ein Schnitzel und ein Bier dazu, danach eine Tasse Kaffee, und dann wurde ich entlassen. Mit einem langen, zärtlichen Kuß.
    »Mach keinen Unsinn mit Mädchen«, sagte sie zum Abschied noch. »Heirate nicht die erste beste. Ich habe es oft genug erlebt, wenn unsere jungen Herren auf Europaurlaub kamen, wie sie an die Falsche gerieten. Nachher ist der Jammer groß.«
    »Ich werde an dich denken, wenn es gefährlich wird«, versprach ich.
    Ich dachte noch eine Weile an sie, während ich westwärts rollte, über Landsberg am Lech, Memmingen und Mindelheim auf den Bodensee zu.
    Hätte ich sie behalten sollen? Beneidete ich Hermann? Eins jedenfalls stand fest: Die kurze Begegnung mit Bibiana hatte genügt, die kleine Erika ganz aus meinem Gedächtnis zu löschen. Es war gemein und undankbar. Vier Wochen hatte ich mit dem Mädchen verbracht, hatte alles bereitwillig in Empfang genommen, was mir geboten worden war, und jetzt hatte ich es schon vergessen. Sie war fast zehn Jahre jünger als Bibiana, war vielleicht auch hübscher. Aber darauf kam es eben nicht an. Nicht im Ernstfall. War vielleicht ganz gut, daß mir das wieder mal vor Augen geführt worden war.
    Nichtsdestotrotz – ich beschloß, sobald ich nach Zürich kommen würde, irgend etwas besonders Hübsches und Kostbares für Erika zu kaufen.
    Gegen halb fünf war ich am Bodensee. Hoher Frühling, fast schon Sommer, die Luft weich und schmeichelnd, die Ufer des Sees verschwimmend im Schönwetterdunst, die Schweizer Berge grüßten herüber. Alle Wunder der Welt, alle fremde Ferne, die ich gesehen hatte, was waren sie gegen dies hier, gegen dieses alemannische Land, so vertraut, so heimatlich – Vater und Mutter zugleich war es mir, das erkannte ich zu dieser Stunde.
    Als ich mich dem Grenzübergang zwischen Lindau und Bregenz näherte, staute sich vor mir eine kleine Schlange. Ein bißchen hatte der sommerliche Reiseverkehr schon begonnen. Hin- und Herüber von Berufsfahrern mochte dazukommen. Und dann entschloß ich mich blitzschnell. Natürlich wäre ich noch nach Hause gekommen, eine Fahrt von drei oder vier Stunden noch. Aber warum eigentlich? Die arme alte Frau durch mein spätes Eintreffen erschrecken? Ich hatte ja nicht geschrieben, an welchem Tag ich kommen würde. Nur von München aus eine Karte, daß es demnächst sein würde.
    Und hier gefiel es mir jetzt gerade. Ich rangierte mein Wägelchen vorsichtig aus der Reihe und steuerte zurück nach Lindau. Und dann fuhr ich im späten Nachmittagslicht am Bodensee entlang, gemächlich, ließ die Urlaubsorte liegen, kam durch Friedrichshafen und landete schließlich in Meersburg. Hier entschloß ich mich zu einem Dämmerschoppen. Danach konnte man immer noch sehen, was weiter geschah. Hatte ich mich nicht in all den Jahren auf unseren Wein gefreut? Den guten Schwyzer Wein, herb, jung, frisch und lebendig, einen Wein, wie es keinen zweiten auf der Welt gibt, kein schwerer, alter dicker Saft, der sich einem in den Kopf und in die Glieder setzt und einen schwerfällig werden läßt, sondern einen Wein, der einen hellen Verstand macht, nicht trunken, nur heiter.
    Hier am Bodensee bekam ich den ersten Vorgeschmack davon, der Meersburger Weißherbst, spritzig und lebendig, er ähnelte schon ein wenig unseren Weinen. Er machte Hunger. Als ich gegessen hatte, trank ich noch ein Viertele. Und dann beschloß ich, die Reise für heute zu beenden.
    Vielleicht hatten sie im ›Wilden Mann‹ ein Zimmer für mich? Sie hatten. Und nun ein Spaziergang durch den Ort, ein Stück am See entlang, zuschauen, wie die Sichel des jungen Mondes sich silbern in den leichten Wellen spiegelte, die ersten Sommerurlauber sorglos einherschlenderten, das letzte Schiff an der Mole festmachte, dann noch ein Viertele, und vielleicht sogar noch eines, und dann schlafen. Nahe der Heimat – vor ihrer Tür gewissermaßen. Und ein wenig aufgeregt deswegen, ein wenig ängstlich. Und tief im Herzen auch – Freude. Eine bange Freude. Wie es sein würde, wenn man heimkäme. Was man finden würde. Was geschehen würde. Denn auf einmal – war es der See, leise gluckernd an der Ufermauer, der es mir zuflüsterte, blitzten es die Sterne herunter, die nach und nach aufleuchteten, raunte mir der Wein es zu, der immer besser

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