Der Mond ist nicht allein (H´Veredy Chroniken) (German Edition)
wartete.
„Kommissar Konstantin“, antwortete dieser, erleichtert, verstanden zu haben, was der Andere von ihm wollte.
Vor lauter Stress hatte er den Spitznamen aus seinen Tagträumen genannt. Na, der Herr versteht nicht, was das Wort bedeutet, da kann es nicht schaden.
Trotzdem schien sein Gegenüber nicht zufrieden mit der Antwort. „Somissar Sonstantin!“, erwiderte er mit mild tadelndem Gesichtsausdruck, nicht als wolle er sich an einen ungewohnten Namen gewöhnen, sondern als ginge es ihm darum, Konstantin zu berichtigen.
Immerhin lächelt er. Jetzt nimmt er mich bei der Hand und führt mich irgendwo hin. Eigentlich sollte man im Ausland nicht mit irgendwem mitgehen, aber was soll ich sonst machen? Irgendwem muss ich vertrauen und der Kerl hat immerhin einen Grund, mir ein bisschen dankbar zu sein.
Der Weg führte bergan, sodass Konstantin mehr und mehr von Durst und Erschöpfung geplagt wurde. Jetzt, da er nicht mehr abwärts rannte, bemerkte er auch die gewaltigen Wasserfälle, die über die Klippen hinab ins Tal stürzten. Am Rande der riesigen Stadt verursachten sie einen gewaltigen Sprühnebel. Dieser Anblick verschlimmerte Konstantins quälenden Durst noch. Der Weg war lang. Hätte der Mann, der ihn führte, nicht immer wieder angehalten, um in seiner melodischen Sprache ein Schwätzchen mit ihm bekannten Passanten zu halten, wäre es noch unangenehmer geworden.
Endlich saß Konstantin in einer Art schattiger Laube mit steinerner Gewölbedecke auf einem Grundstück, das von einer hohen Mauer eingefasst wurde und zum größten Teil aus ungezähmtem Urwald zu bestehen schien. Er trank kühles Wasser aus einem geschnitzten Holzbecher und nippte gelegentlich an einem würzigen Heißgetränk, das man in seinen Humpen gefüllt hatte. Dazu aß er gebratenes Fleisch mit ausgeprägtem Wildgeschmack und eigenartigen Gewürzen von einem Holzspieß und ihm unbekannte Früchte von einem tönernen Teller. Der größte Teil des Geländes war wegen des üppigen Pflanzenbewuchses von hieraus nicht einsehbar.
Sein Gastgeber hatte sich mit zahlreichen Gesten verabschiedet, allerdings nicht, ohne sicherzustellen, dass Konstantin nicht allein blieb. Ob die hinzugekommenen Fremden als Aufpasser anzusehen waren, konnte Konstantin zunächst nicht recht beurteilen. Einer der Männer, ein sympathischer Mittdreißiger, machte jedenfalls mehrere Versuche, mit ihm zu kommunizieren. Ein Anderer saß abseits und machte sich Notizen auf einer Art Papyrus. Immerhin schienen die grundlegende Mimik und Gestik, dem was Konstantin gewohnt war, weit genug zu ähneln, dass eine rudimentäre Verständigung funktionierte. Die Situation war entspannt und so lernte Konstantin, teils nebenbei, teils durch direkte Hinweise seines Gegenübers, die ersten Worte in der ihm unbekannten Sprache. Tür = Sennyn oder vielleicht auch zennyn. Ja = elje. Nein = immion. Ist doch gar nicht so schwer.
Ein ereignisreicher Morgen
Verena wurde zunächst nicht an den weiteren Ereignissen beteiligt. Sie drängte sich auch nicht darum. Dabei gehörte sie zu den Ältesten und es wäre normal gewesen, wenn sich die Übrigen an sie gewandt hätten. Doch bei solch einem heulenden Häufchen Elend kam das wahrlich niemandem in den Sinn. Da Elina unter denjenigen, die sich hier versammelt hatten, die einzige Französin war und ihr Deutsch in raschen Unterhaltungen versagte, nahm Verena an, dass es ihr kaum anders ging. Elina fuhr still damit fort, größere und kleinere Verletzungen zu versorgen. Auch die übrigen Jugendlichen hatten zahlreiche, verschiedenartige Blessuren abbekommen. Am schlimmsten hatte es Frederik erwischt. Sein linker Unterarm war gebrochen, was wegen des sichtbaren Knicks sogar für Laien leicht zu diagnostizieren war. Der Älteste und Kräftigste, ein Braungürtel namens Bernd, übernahm mit großer Selbstverständlichkeit die Führung.
Obwohl der Judounterricht in eine Mädchen- und eine Jungengruppe getrennt war, kannten alle Bernd, da er als Assistent ihres Lehrers gearbeitet hatte. Verena war die Einzige, die mit Bernd ein Problem hatte. Als sie neu mit dem Judo anfing, hatte sie sich Hals über Kopf in Bernd verliebt. Es dauerte nicht lange, bis sie sich nach dem Training privat trafen und ein Paar wurden. Er hatte sie von Anfang an nicht gut behandelt. Doch Verena wollte das nicht wahrhaben, und gab sich alle Mühe, seine Fehler zu übersehen. Richtig schlimm wurde es, als sich Bernd in ein anderes Mädchen verliebte und
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