Der Mond ist nicht allein (H´Veredy Chroniken) (German Edition)
der nur ein aufgeblasener Schönling und sie ist gerade erst in die Pubertät gekommen. Hoffentlich fangen die nichts miteinander an, während wir im Schlamassel stecken. Apropos Macho. Das hier sieht tatsächlich wie die Spitzenläufergruppe aus. Also war wahrscheinlich einer von den totgestürzten Franzosen der Kerl, der mich angegrapscht hat. Vielleicht der, der gerade da unten von Ameisen gefressen wird. Eigentlich sollte es mich freuen, dass es mal ausnahmsweise den Richtigen erwischt zu haben scheint. Tut es aber nicht. Mein Gott, jetzt würde ich den Typen lieber küssen als daran zu denken, was mit ihm passiert ist.
Verena lag, seit Elina angefangen hatte, sich um die Verletzungen der Anderen zu kümmern, auf dem Rücken. Diese Haltung schonte ihren ramponierten Bauch. Sie starrte in den Himmel, von dem nur wenige Flecken über ihr auszumachen waren. Dennoch hatte sie mit einem Seufzen festgestellt, dass dieser Anblick, trotz der vielen Naturwunder ringsum, vielleicht der Interessanteste war, der sich hier bot. Offensichtlich hat außer mir noch niemand richtig hochgeguckt, sonst hätte jemand was gesagt. Oder vielleicht doch? Ich hab es ja auch noch nicht ausgeplaudert. Ich warte erst mal, ob da noch was kommt. Ich will es nicht sein, die ihnen das erklärt.
Inzwischen hatte eine weitere Deutsche namens Mira ihren Rapport begonnen: „Mira, sechzehn. Blauer Gürtel. Wie ihr seht.“
In Verenas Augen wirkte die sommersprossige Mira eher jünger. ´Pipi Langstrumpfs Schwester´ wurde sie manchmal von den anderen Mädchen gerufen, um sie zu hänseln. Ganz passte das wegen der Pumucklfrisur nicht. Verena wusste, dass Mira sich gegen alle Anfeindungen sowohl verbal als auch durch Hiebe und Kniffe zu wehren pflegte, die im Judoverein natürlich ungern gesehen wurden. Allerdings hatte Verena selbst nie mehr als ein paar vorlaute Worte von Mira erdulden müssen, sei es nun, weil sie sich nicht an Hänseleien beteiligte oder sei es, weil Mira von ihren Karatekünsten wusste.
„Ich bin überhaupt nicht richtig abgestürzt, sondern nur ein wenig gestolpert, und plötzlich bin ich auf diesem verteufelt dünnen Ast und balanciere mitten über diesem verrückten Wald“, fuhr Mira fort. Ihre Mine drückte Wut aus, als seien der Wald und die Fährnisse darin, Personen, auf die man seine Emotionen richten konnte. „Vor Angst hab ich mir in die Hose gepinkelt. Wenn sich jemand darüber lustig machen will, schlag ich ihm die Fresse ein“, erklärte sie.
Obgleich oder gerade weil niemand einen Kommentar abgab und betretenes Schweigen herrschte, wurde sie bei dieser Erklärung vor Scham rot, ja fast bläulich im Gesicht. Da ihre Haut sowieso schon aussah als wäre sie verbrüht oder verbrannt worden, war es bemerkenswert, dass dieser Unterschied überhaupt auffiel. Mira fand ihre Entschlossenheit wieder und fuhr fort: „Ich bin nicht runtergefallen, sondern auf einen stabileren Ast etwas tiefer geklettert. Vielleicht findet ihr so was ja abgefahren, ich fand´s aber nicht toll. Da oben waren riesige Spinnennetze und ich bin froh, dass ich keine von den Spinnen zu sehen gekriegt hab. Die Beute hat mir gereicht. Da hat ´ne Libelle drin rumgezappelt, die bestimmt ´nen halben Meter lang war. Eklig. Am Horizont hab´ ich in dieser Richtung einen großen Tafelberg gesehen, sonst keine Landmarken. Obwohl es nach da ´rüber in eine Senke zu gehen scheint. Da ist es bestimmt sumpfig. Ich hab rotblonde Haare, und krieg immer sofort Sonnenbrand, hab´ ich ja auch schon. Das brennt total. Deswegen bin ich schnell runter gekraxelt, als mir das klar geworden ist.“
„Danke Mira, ich denke das reicht. Du kannst uns also nichts Interessantes erzählen. Hier geht es nicht ums Schwätzen, sondern ums Überleben“, unterbrach sie Frederik.
Er erntete einige irritierte Blicke. Aber niemand schien sich aufraffen zu können, die rüde Unterbrechung Miras zu kommentieren, auch wenn Alex wirkte, als müsse er auf´s Klo oder ringe mit seinem Gewissen.
Wäre Verena so behandelt worden, hätte sie sich nicht getraut, an diesem Tag noch einmal den Mund aufzumachen. Mira war da anders gestrickt. Verena hatte zwar früher während des Trainings gemerkt, dass Mira keine Scheu kannte, sich offen zu äußern, doch hatte sie das bisher nicht unter Mut, sondern allein unter Frechheit verbucht. Miras jetzige Reaktion beeindruckte sie enorm. Mira packte Frederiks Arm an der Bruchstelle und drückte mit zwei Fingern gerade fest genug zu, damit
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