Der Mond ist nicht allein (H´Veredy Chroniken) (German Edition)
auf sie bekam. So harrten sie stundenlang aus. Immer wieder zupften einige der Riesenmöwen an ihren Decken.
Irgendwann ließ das allgegenwärtige Gekreische allmählich nach.
Bis dahin hatte Verenas Sonnenbrand allerdings Zeit genug gehabt, sein volles und beachtliches Zerstörungspotenzial zu entfalten. Bald begriff Verena, dass es weniger gefährlich gewesen wäre, den vordringenden Krabben kurzfristig ein wenig mehr Raum zuzugestehen und sich etwas über zu ziehen. Da sie vor dem Angriff kaum einer direkten Sonnenstrahlung ausgesetzt gewesen waren, hatte sie nicht einmal einen Lichtschutz aufgetragen gehabt. Jetzt, wo sie nichts mehr tun konnte, als den Kopf einzuziehen, und darauf zu hoffen nicht von einer Flugechse verschluckt zu werden, wurde ihr immer klarer, dass dieser Sonnenbrand wirklich gravierend war und nicht einfach als hundsgemeine Unannehmlichkeit begriffen werden konnte. Eine Freundin ihrer Mutter war einmal beim Sonnenbaden eingeschlafen und erst wieder erwacht als ihre Haut krebsrot war. Verena konnte sich noch gut daran erinnern, dass diese Frau danach mehrere Tage im Krankenhaus verbringen musste. Sie selbst musste eine noch viel größere Portion Sonne abbekommen haben. Das Brennen auf ihrer Haut hätte mit Sicherheit schon, als sie den exponierten Felsengipfel erreicht hatte, ausgereicht, sie aus einem entspannten Schlummer zu wecken. Die sich beständig steigernden Schmerzen großflächiger Verbrennungen nahmen mehr und mehr ihr ganzes Wesen ein. Ihre Umgebung und den Waldläufer CAveedo oder den bewusstlosen Barwarin konnte sie bei alldem gar nicht mehr richtig wahrnehmen. Bald vermochte sie nur noch irre schreiend auf und ab zu laufen. Es bekümmerte sie nicht, ob noch gefährliche Wesen die Lüfte um sie her durchstießen. Die Qualen ließen nicht nach, sondern steigerten sich noch. Wie durch einen Nebel sah Verena die Felskante vor sich. Die unendlichen Schmerzen zu beenden war inzwischen das Einzige, was noch für sie zählte. Sie fixierte den Abgrund, der sich zehn Meter vor ihr auftat, und rannte los. Noch wenige Schritte dann ….
CAveedos geworfener Knüppel traf sie im vollen Lauf am Hinterkopf. Die Welt wurde dunkel für Verena.
*
Ich war schon einmal in einem besseren Zustand, dachte Barwarin. CAveedo hatte ihnen schließlich geholfen, von dem schroffen Felsen herunterzukommen. Die Schneise der Verwüstung, die die Krabben zurückgelassen hatten, war breit und sie brauchten einen ganzen Tag, wieder unberührten Dschungel zu erreichen. Trotz seiner Beinverletzungen musste Barwarin Verena die ganze Zeit über der Schulter tragen. Zweimal erlangte sie das Bewusstsein wieder und brüllte wie am Spieß. Dann fiel sie in einen halb wachen Zustand, in dem sie nur noch kläglich vor sich hin wimmern konnte. Leider war CAveedo nicht kräftig genug, ihm die Last eine Weile abzunehmen, und in dem zerstörten Bereich war nichts übrig geblieben, das man als Medizin verwenden konnte. Daher begnügte sich Barwarin damit, seine schmalen Vorräte von antiseptischem Pulver auf Verenas und seinen eigenen Verletzungen zu verteilen und setzte alles daran, die Geborgenheit intakten Waldes zu erreichen. Mehrfach kam es dabei noch zu brenzlichen Situationen. Einzelne Gruppen zurückgebliebener Krabben brachen aus dem Gewirr von Bruchholz hervor und versuchten, sich auf die Menschen zu stürzen, die weit und breit das einzig Essbare für sie zu sein schienen. Auch Angriffe aus der Luft waren in diesem offenen Gelände ein gewisses Risiko, wenngleich sich die meisten fliegenden Raubtiere vollgefressen und wieder verzogen hatten oder weiter der Hauptmasse der Krabben folgten.
Die Grenze zu den Verwüstungen durch die Krabbenplage schien wie mit einem gewaltigen Lineal gezogen.
Kaum dass Barwarin nicht mehr über hölzerne Trümmerfelder, klettern musste, machte er sich verbissen daran, die stärksten Mittel aufzutreiben, die die Natur für Verletzungen wie diese zu bieten hatte. CAveedo erwies sich als junger Waldläufer, der versuchte, in den Baumwipfeln und der oberen Querstammzone zurechtzukommen. Er gehörte zu jener Sorte Waldläufer, die nur in einem sehr begrenzten Gebiet um ihre Heimatstadt herum tätig waren. Daher kannte er sich gut genug aus, um hilfreich zu sein. Er schaffte so rasch wie möglich sauberes Wasser herbei, sicherte den Weg und führte Barwarin zu einem geschützten geeigneten Lagerplatz, den er (CAveedo) von früher kannte. Ihm fehlte Barwarins ungeheures Wissen
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