Der Mond ist nicht allein (H´Veredy Chroniken) (German Edition)
könnten tatsächlich versuchen, vom Handel zu leben. Ich war Gebrauchtwagenhändler. Hier haben wir ein gebrauchtes Flugzeug aus dem einiges zu holen ist, falls jemand noch mal bereit ist, auf diesen Berg zu klettern.“
„Ein Hoch auf Katja, die Präsidentin unserer Handelsgesellschaft!“, kommentierte Kapitän Richardson.
Lena und Alfred waren, kurz, nachdem dieser Beschluss gefasst wurde, dort eingeschlafen, wo sie gerade saßen und mussten in die Zelte getragen werden. Sie waren so erschöpft, dass sie nicht einmal dabei erwachten. Doch als Katja sie spät in der Nacht wieder weckte, waren sie ausgeschlafen.
„… und so müssen wir jetzt für immer von Erik und Eddie Abschied nehmen“, beendete Katja ihre Grabrede für die verlorenen Freunde. „Rolf hat gebeten, dass er einen Schnaps auf Eddie und Erik ausgeben darf, und auch wenn wir uns heute Nacht keinesfalls betrinken dürfen, soll er dazu natürlich auch Gelegenheit bekommen. Vorher wird Alf aber noch etwas vortragen. Alf? Bitte.“
Schon bei Katjas kurzer und recht formal klingender Rede waren alle in Tränen ausgebrochen, und auch Katja hatte sichtlich bei jedem Satz hart zu kämpfen, um weitersprechen zu können. Bei Alfreds düsterem Vortrag, war es mit der Beherrschung ganz vorbei, und lautes Schluchzen war von allen Seiten zu hören:
„Ihr habt von mir, solange wir uns kennen, nur fröhliche, heitere Reime gehört. Aber auch wenn Folgendes keinesfalls für eine solche Gelegenheit gedacht war, ist es doch das Einzige, was ich hier beitragen kann, das mir passend erscheint:
Dunkelheit in meinem Herzen
Einst brannte in mir helles Feuer,
erhellte, wärmte, schützte meist,
heut´ sticht Kälte mich mit Dolchen,
selbst mein Wille scheint vereist.
Dunkelheit in meinem Herzen,
Finsternis in meinem Geist,
bin auf der Straße des Verzagens,
nie zuvor so weit gereist.
Fühl mich müde und zerschlagen,
spür, wie ich biege, bis ich breche,
in meinem Kopf in meinen Gliedern,
da ist nur eines: Schwäche.
Niemals stehen bleiben, vorwärtstreiben!
Ach, hört doch auf mit dem Getue,
gern will ich morgen wieder streiten aber heute -
gönnt mir Ruhe!“
Großstadtleben
Die Zeit raste nur so dahin für Konstantin. Kann es sein, dass ich jetzt schon vierzehn Tage hier bin? Vierzehn dieser überlangen Tage?
„Nein, Cenimnir. Eigentlich habe ich kein Heimweh. Dieses Leben ist für mich zu neu und zu wundersam. Immion, Cenimnir, Lur zatalalwallas immion a sim mecis.“
Wenn sie sich privat trafen, wie jetzt, hatten sie sich angewöhnt, alles auf Deutsch und in Cion, der hier allgemein verbreiteten Sprache, auszusprechen, um möglichst schnell zu lernen. Cenimnir hatte versucht, Konstantin zu erklären, was er so faszinierend an der deutschen Sprache fand und warum er sie als ´die versteckte Sprache´ bezeichnete: „Deine Sprache verschweigt etliches, zumindest insofern man es nicht darauf anlegt, diese Lücken zu füllen. Das ist in meiner Sprache gar nicht möglich.“
„Was meinst du damit?“
„Nun, ich denke, du weißt, wovon ich spreche: dass in ´Cion´ jedem Hauptwort, Verb und Adjektiv stets eine Wertung präponiert wird. Sodann werden Satzbau, Wortwahl und so weiter allzeit verwendet, damit ein Satz, der etwas Gutes ausdrückt auch angenehm klingt. Im Cion verwendet man fast niemals Wendungen, wie ´ich finde das gut´ oder ´ich finde den Mann sympathisch´. Das ist nicht geboten. In deiner Sprache müsste man aber solche Idiome immer wieder gebrauchen, um sich offen auszudrücken. Das deucht mir aber nicht unbedingt deine Gewohnheit zu sein. Deine Sprache verschweigt also stets gehörig viel. Abgesehen davon ist sie hier ohnedies eine Geheimsprache, weil sie niemand verstehen kann.“
Wie meistens fand dieses Gespräch in der Frühen Nacht statt, denn diese Zeit war bei dem überwiegenden Teil der Großstädter für soziale Interaktionen reserviert. Das gehörte zu den festen gesellschaftlichen Konventionen. Konstantin hatte sich nach einigen Eingewöhnungsschwierigkeiten den Tagesablauf seines Freundes Cenimnir abgeschaut, der als exemplarisch für die meisten Bewohner angesehen werden konnte. Längst hatte Konstantin seine eigenen Begriffe für Tageszeiten auf die Gegebenheiten dieser Welt angepasst. Die Frühe Nacht, das waren die ersten beiden Langen Stunden oder Phasen nach der Abenddämmerung. Bisher war Konstantin zu dieser Zeit stets der Gastgeber gewesen, namentlich für
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