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Der Mond ist nicht genug: Roman (German Edition)

Der Mond ist nicht genug: Roman (German Edition)

Titel: Der Mond ist nicht genug: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. Lee Martinez
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gerade war, vergnügte. Und obwohl Sharon nichts gegen ein bisschen Vergnügen gehabt hätte, hatte sie es akzeptiert.
    Doch wenn der Ausgehabend kam, legte sie dennoch ein bisschen Make-up auf, mühte sich ab, die richtige Hose zu finden, in der ihr Hintern gut aussah, ärgerte sich über ihre paar zusätzlichen Pfunde und überlegte trotzdem, wie viel Dekolleté am schmeichelhaftesten sein mochte, ohne zu viel Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.
    Sie kam in ihrem sorgfältig ausgewählten Ensemble aus ihrem Schlafzimmer.
    »Wie sehe ich aus?«, fragte sie.
    »Gut«, antwortete er so automatisch wie ein abgerichteter Hund. Er sah nicht einmal zu ihr auf, aber zumindest gab er sich Mühe.
    Sie beschlossen, in das mexikanische Restaurant in ihrer Straße zu gehen. Der Ort, wo es auftauchte, wechselte allerdings von Woche zu Woche: Es wanderte von Gebäude zu Gebäude, ersetzte die Buchhandlung oder das italienische Restaurant oder die Kirche. Und es gab Tage, an denen es komplett verschwand.
    Das Universum war zwar größtenteils stabil, hatte an gewissen Stellen aber Schluckauf. Das mexikanische Restaurant war einer davon. Wenn es da war, war es ein pulsierender Laden voller Leben und Energie, mit den besten Tacos der Stadt. Wenn es nicht da war ... war es einfach nicht da. Der Klang der Mariachi-Musik blieb jedoch und erfüllte den Block rund um die Uhr – das geisterhafte Echo einer Phantom-Band.
    Sie hatte das Restaurant nie erscheinen oder verschwinden sehen. Es schien nur zu passieren, wenn keiner hinsah. Gelegentlich verschwand es, wenn noch Leute darin waren. Sie wurden auf der Stelle von allen vergessen und kehrten nie zurück. Ob sie aufhörten zu existieren, von irgendeinem namenlosen Wesen verschlungen oder vielleicht nur von den frischesten handgemachten Tortillas und köstlichsten Enchiladas der Stadt in eine mysteriöse Unterwelt gelockt wurden – das wusste niemand. Sharon wusste nur, dass das Essen gut war und die Preise vernünftig, und dass sie einen Margarita mixten, für den sie bereit war zu sterben. Oder zu verschwinden. Oder was auch immer.
    Das mexikanische Restaurant war da und nahm diesmal die Stelle ein, wo sich normalerweise ein Elektronikladen befand. Sie setzten sich und knusperten Chips. Von innen sah die Welt anders aus. Die Stadt war fort, ersetzt durch ein Panorama aus gelbem Gras und einer smaragdgrünen Sonne. Riesige Falter schwirrten durch die Luft. Ihre farbenfrohen prismatischen Flügel schimmerten in großen Wolken. Die Aussicht war ein Teil dessen, was ihr an diesem Restaurant so gefiel.
    Es gab noch einen Grund, warum sie das mexikanische Restaurant liebte. Sie liebte es, weil es nur ihnen gehörte. Hier musste sie Calvin nicht mit irgendjemandem teilen. Hier – und wirklich nur hier – zählte außer ihnen beiden nichts.
    Die Eingangstür wurde aufgerissen, und ein Berg von einer haarigen blauen Kreatur mit einem Gesicht wie ein Büffel trat ein. An seinen Armen hingen zwei riesige schwarze Gottesanbeterinnen.
    »Da kommt die Nachbarschaft«, sagte Sharon.
    Der Büffel wanderte zu der Angestellten hinüber, die die Tische zuwies, verschlang sie mit einem Bissen und schlurfte weiter zu einem Tisch. Dort saß bereits ein Pärchen, aber sie überließen den Kreaturen ihren Tisch mitsamt Essen nur zu gerne.
    Der Büffel schlürfte die Enchiladas ein, während die Insekten an den Bieren schnüffelten. Sie zirpten, kauten auf der Tischdecke und leckten das Wachs von den Kerzen.
    »Sollen wir irgendwo anders hingehen?«, fragte sie.
    »Du hast noch nicht einmal dein Essen bekommen«, antwortete er.
    »Ist nicht so wichtig.«
    Der Kellner versuchte, die Bestellung des Büffels aufzunehmen und wurde von den Insekten beschimpft, weil er dabei Probleme hatte.
    »Das reicht jetzt.« Calvin schob seinen Stuhl zurück.
    »Schon gut«, sagte sie. »Du musst das nicht tun.«
    »Doch, muss ich.«
    »Aber …«
    Er war schon weg.
    »Entschuldigung.«
    Der Büffel und die Insekten ignorierten ihn.
    »Ich sagte: Entschuldigung.«
    Die Insekten hörten auf, den Kellner zu schikanieren, und hoben die Köpfe. Der Büffel schnaubte.
    »Hier wollen Leute gern essen«, sagte Calvin.
    Der Büffel erhob sich zu voller Größe und brüllte Calvin an, wobei er eine ordentliche Dosis phosphoreszierender Spucke über sein Gesicht versprühte. Die Insekten kicherten.
    »Ich versuche es im Guten, aber es gibt keinen Grund für ein solches Benehmen. Hier möchte jeder nur einen schönen Abend

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