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Der Mond ist nicht genug: Roman (German Edition)

Der Mond ist nicht genug: Roman (German Edition)

Titel: Der Mond ist nicht genug: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. Lee Martinez
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zu suchen.
    Irgendwo auf dem Weg dorthin verlief sie sich. Sie musste wohl falsch abgebogen sein, denn plötzlich fand sie sich am Strand des Paradieses wieder. Der Übergang war sanft genug, dass sie es nicht bemerkte, bis ihre Füße nass waren. Die kalte Flüssigkeit zwischen ihren Zehen ließ sie zurückspringen. Ihr erster Impuls war, etwas Schreckliches zu erwarten. Schleim oder Blut oder die Geiferpfützen einer fürchterlichen Kreatur.
    Doch es war nur Wasser. Ein endloses blaues Meer erstreckte sich bis zum Horizont. Ein goldener Strand lag unter ihren Füßen. Und ein üppiger grüner Wald wuchs nur ein paar Meter weiter. Die Sonne wärmte ihr Gesicht. Es war wie ein Traum.
    Aber es war echt.
    Und schön. Nicht nur wegen des klaren Wassers und des Waldes. Alles schien so normal zu sein. Das Wasser und der Himmel waren blau. Die Sonne war weder zu groß noch zu klein. Die Bäume waren als solche erkennbar und trugen grüne Blätter. Möwen zogen über ihr vorbei, und die Luft war frisch und rein.
    Sie hinterfragte es nicht. Sie war sich sicher, dass noch früh genug ein Riesenkalmar aus dem Meer aufsteigen oder der Sand zum Leben erwachen und versuchen würde, sie zu fressen. Aber in diesem Augenblick war sie zufrieden damit, ein paar Beeren von den Büschen zu pflücken und zu essen, während sie die Aussicht genoss.
    »Du gehörst hier nicht her, Nummer Fünf«, sagte West hinter ihr.
    »Ich hatte mich schon gefragt, wann Sie auftauchen würden, um alles zu ruinieren.« Sie steckte die Hand aus. »Wollen Sie ein paar Beeren? Die schmecken nach Schokolade.«
    Er lehnte ab.
    »Was stimmt nicht mit diesem Ort?«, fragte sie.
    »Nichts. Es ist ein unberührtes Reich, in dem alles in Harmonie lebt. Es gibt hier Tod und Chaos. Genug, um es existenzfähig zu machen. Aber zum größten Teil ist es eine friedliche Welt.«
    »Keine Bewohner, was?«
    »O doch, es gibt Bewohner. Keine Menschen. Aber dicht dran. Und sie sind wirklich ganz angenehm. Sie folgen einer Philosophie der Kooperation, des Respekts unter Individuen und der Mäßigung in allen Dingen. Du würdest sie hassen.«
    »Schon kapiert. Das ist keine Welt, in der ich leben könnte.« Sie lächelte leicht. »Nicht so recht für mich gemacht.«
    »Um genau zu sein: Du bist nicht für sie gemacht. Aber das ist fast dasselbe.«
    »Ist aber ein hübscher Ort für einen Besuch.«
    Er nickte. »Das stimmt.«
    »Wie kann ein Ort wie dieser überhaupt existieren? Nach allem, was ich bisher gesehen habe, ist das Universum ein großer, hässlicher Ort. Irgendetwas muss mir entgangen sein. Etwas Schlechtes daran. Oder?«
    »Du verstehst es immer noch nicht«, sagte West. »Nur weil die Mächte des Universums dir gegenüber gleichgültig sind, sind sie noch nicht bösartig. Sie sind auch nicht darauf aus, dich zu töten oder in den Wahnsinn zu treiben. Es ist ihnen einfach egal. Das Paradies, so wie dein menschlicher Verstand es definiert, gibt es. In tausend verschiedenen Welten, in tausend verschiedenen Formen. Genauso wie zehntausend höllische Realitäten und alles dazwischen.«
    »Na, das ist ja klasse.«
    Sie hob eine Handvoll Sand auf. Er rann ihr durch die Finger. Die Körner festzuhalten war unmöglich, genauso wie der Versuch, an diesem Strand festzuhalten.
    Ein Schwarm Insekten flog an ihrem Gesicht vorbei. Sie wischte sie weg, woraufhin allerdings nur noch mehr erschienen. Sie spürte, wie ihr weitere dieser Viecher an den Beinen hinaufkrabbelten. Sie waren im Sand. Tausende von ihnen.
    So viel zum Thema Paradies.
    Diana sprang auf. Die Insekten schienen harmlos zu sein. Sie hatten sie noch nicht gestochen, aber sie verscheuchte sie, indem sie sich auf Arme und Beine schlug. Dann rannte sie ein paar Schritte, und sie verfolgten sie nicht weiter.
    Sie wischte sich die toten Insekten von den Händen und vom Pyjama. Ein paar waren ihr in den Mund geraten. Sie spuckte sie aus und fühlte mit der Zunge, ob sie welche vergessen hatte.
    Eine einzelne Mücke landete auf ihrer Nase. Sie wollte sie gerade erschlagen, als sie bemerkte, dass es überhaupt kein Insekt war.
    Es war ein winziger, winziger Mensch. Nicht größer als eine Mücke. Viel zu klein, um Einzelheiten zu sehen, aber wenn sie die Augen zusammenkniff, konnte sie die humanoide Gestalt erkennen.
    »O mein Gott!«
    Die Leichen von ein paar Dutzend der winzigen geflügelten Leute klebten an ihren Handrücken.
    »O mein Gott!«
    Der Sand wimmelte von Leben. Hunderte, Tausende, Millionen der Wesen waren

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