Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Mond ist nicht genug: Roman (German Edition)

Der Mond ist nicht genug: Roman (German Edition)

Titel: Der Mond ist nicht genug: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. Lee Martinez
Vom Netzwerk:
an die Oberfläche gekommen. Wolken von geflügelten Exemplaren umkreisten sie.
    »Es tut mir leid. Das wollte ich nicht. Ich wusste nicht …«
    Sie konnten sie nicht verstehen. Doch selbst wenn sie gekonnt hätten: Eine Entschuldigung hätte nichts genützt. West hatte ihr gesagt, sie gehöre nicht hierher, und jetzt wusste sie auch, warum.
    Seine Beine waren mit den winzigen Leuten bedeckt. Er stand vollkommen still, und sie folgte seinem Beispiel. Wenn sie sich nicht rührte, konnte sie kaum Schaden anrichten.
    »Ich habe dich gewarnt, du würdest die Bewohner dieser Welt nicht mögen«, sagte er.
    Es waren nur Insekten, redete sie sich ein. Seltsame Insekten zwar, mit menschlichen Körpern, aber trotzdem Insekten. Und es war nur ein Unfall. Nicht ihre Schuld. Sie hatte schließlich nicht darum gebeten, hierherzukommen. Das war alles ein kosmischer Irrtum.
    Die Menschen – verdammt, auf eine andere Art konnte sie sie gar nicht mehr sehen! – krochen ihre Füße und Knöchel hinauf, während Schwaden der fliegenden Exemplare um ihren Kopf herumschwebten.
    »Geht weg!«, sagte sie. »Ich will euch nicht wehtun!«
    Aber das hatte sie schon. Jeder noch so kleine Schritt, jede achtlose Bewegung konnte Tausende von ihnen töten. Absicht war irrelevant. Der Schaden war bereits angerichtet. Sie war zu Diana Malone, Zerstörerin ganzer Welten, geworden.
    Der abscheuliche Gedanke traf sie wie ein Hieb in die Magengrube.
    Die Menschen schwärmten weiter um sie herum. Sie wusste nicht, ob sie versuchten, sich zu wehren oder ob sie nur verwirrt waren. Sie konnte es auch nicht wissen. Genauso wie diese Wesen sich nicht vorstellen konnten, warum sie sie ohne Provokation angriff.
    »Was soll ich jetzt tun?«, fragte sie. »West?«
    Langsam drehte sie den Kopf in seine Richtung, aber er war fort.
    Es kostete sie alle Willenskraft, still stehen zu bleiben, während wimmelnde Millionen über sie krabbelten. Sie schloss die Augen. Das machte es nur noch schlimmer. So konnte sie sich nur besser auf das unangenehme Gefühl auf der Haut konzentrieren.
    Diana wurde mürbe. Es war zu viel. Sie ertrug es nicht. Sie musste fort von hier. Irgendwohin, wo sie keinen Schaden anrichten konnte, wo sie den Horden entkam. Sie rannte über den Strand, zerquetschte mit jedem Schritt Hunderte, schlug wild mit den Armen und durchschnitt die Schwärme mit tödlicher Anmut.
    Sie stolperte und fiel hin.
    Spuckte Sand aus und wischte sich den Genozid aus dem Gesicht.
    Dann gab es ein spürbares Schnappen im Universum. Sie hörte den Knall, als sie vom Strand zurück auf Chucks Küchenboden geschleudert wurde.
    Sie richtete sich auf die Knie auf. Die meisten der winzigen Wesen waren dort geblieben. Nur ein paar Leichen hingen noch an ihrem Pyjama oder lagen auf den Fliesen. Doch nicht alle waren tot. Ein paar der Menschen wuselten über den Boden, während andere verwirrt in der Luft schwebten. Sie hatte sie aus ihrem Paradies an einen feindlichen Ort verschleppt.
    Sie flogen davon, um ihr fremdes neues Universum zu erkunden. Sie hoffte, ihnen werde es hier besser ergehen als ihr dort.
    Vorsichtig las sie die Toten auf und sammelte sie alle in einer Plastiktüte, die sie in Chucks Küche fand. Dort waren es Milliarden von diesen Kreaturen gewesen. Billionen. Diese paar Dutzend Seelen, zerquetscht durch ihre Achtlosigkeit, machten nicht viel aus. Aber sie hatten nicht darum gebeten, hatten es nicht verdient.
    Am Morgen begrub sie sie im Park.

ACHTZEHN

    Bei ihrem zweiten Date mit Chuck hatte Diana ihre Selbstkontrolle wiedergefunden. Am Ende ging sie aber trotzdem mit ihm ins Bett. Als der Geist erst aus der Flasche war, fiel ihr kein Grund ein, warum sie jetzt wieder einen Rückzieher machen sollte.
    Sie lagen in seinem Bett. Die Nacht zuvor war es ein Wasserbett gewesen. Oder so etwas Ähnliches wie ein Wasserbett. Die Flüssigkeit darin hatte sich nicht wie Wasser bewegt. Es gab einen Rhythmus, der sie eher an etwas Atmendes erinnert hatte. Sie hatte aber beschlossen, nicht zu viel darüber nachzudenken und einfach so zu tun, als sei es ein Wasserbett.
    An diesem Abend hatte sich das Bett verändert, wie es allgemein die Angewohnheit seiner Möbel war. Das hatte er ja erwähnt. Diesmal war das Bett ein mit gelbem Flaum überzogenes asymmetrisches Oval.
    Sie hatte die ganze Nacht über eine seltsame Stimmung bei Chuck gespürt. Am Anfang hatte sie gedacht, sie bilde es sich nur ein, aber es war so geblieben. Er war nervös, fühlte sich nicht wohl.

Weitere Kostenlose Bücher