Der Mondmann
die Raben griffen an!
***
Casey Marwood’s Hände zitterten, als er die Whiskyflasche wieder wegstellte. Er hatte zwei große Schlucke daraus getrunken und das Gefühl gehabt, sich den Magen zu verbrennen, denn er war den Alkohol nicht so gewohnt.
Im Wohnzimmer ließ er sich in einen Sessel fallen. Er hatte auch gedacht, durch den Alkohol seinen seelischen Schmerz zu betäuben, doch das war nicht der Fall gewesen.
Nach wie vor kreisten seine Gedanken um Melody, die verschwunden war. Seine kranke Frau war weg.
Aber sie war nicht nur einfach verschwunden, sondern entführt worden. Und genau damit hatte er seine Probleme. Er dachte an den Vogel mit den gelben Augen, der vor seiner Haustür gesessen hatte. Es war kein Rabe, der sich verflogen hatte, denn die normalen Tiere besaßen keine gelben Augen.
Dieser hier gehörte zum Mondmann, von dem die Sage behauptete, dass er einmal im Jahr erschien und sich einen Menschen holte, den er später in einen Raben verwandelte.
Jetzt war es Melody!
Der Gedanke an diesen Namen bohrte sich wie der Stahl eines Schwertes in seinen Kopf. Er stand dicht davor, loszuschreien, und hielt sich nur mühsam zurück. Seine Kehle war zu. Die Angst hatte bei ihm für eine große Übelkeit gesorgt, die vom Magen her immer höher stieg und seine Kehle erreichte.
Bis zum Bad schaffte er es nicht mehr. Im letzten Augenblick gelang es ihm, ein Fenster zu öffnen, sich hinauszulehnen und sich zu übergeben.
Das Erbrochene drang als Schwall aus seinem Mund. Schlimm war noch das Nachwürgen, dass bei ihm für einen gewaltigen Schweißausbruch sorgte, für leichten Schwindel und auch für Herzklopfen. Der untere Rand der Fensterbank drückte gegen seine Brust. Der dabei entstehende Schmerz sorgte dafür, dass er wieder zurück in die Wirklichkeit fand und sich aufrichtete.
Vor dem offenen Fenster blieb Casey Marwood stehen. Es war das Beste, was ihm passieren konnte, denn der kühle Nachtwind, der zwar nicht besonders kräftig war, blies trotzdem gegen sein Gesicht.
Er kühlte die Haut und auch den Schweiß. Er sorgte dafür, dass es ihm körperlich besser ging, und deshalb ordneten sich auch wieder seine Gedanken.
Natürlich drehten sie sich um Melody, und dieser Name erreichte seinen Kopf wie einen Schrei. Nichts war anders geworden, nachdem er sich übergeben hatte. Er litt noch immer, und er würde weiterleiden, das stand fest. So lange, bis er über das Schicksal seiner Frau Bescheid wusste.
Schicksal!
Allein das Wort hinterließ bei ihm einen erneuten Schauer!
Schicksal konnte auch Tod bedeuten, aber daran wollte er nicht denken. Er schüttelte mehrmals hintereinander heftig den Kopf.
Noch immer vor dem Fenster stehend, versuchte Casey Marwood, klar zu denken.
Melody war weg!
Er akzeptierte es mittlerweile, ohne dass er von einer negativen Gefühlswelt überschwemmt wurde. Sie war gegangen, man hatte sie geholt, wie auch immer. Vielleicht hatte diese nächtliche Spukgestalt sogar dafür gesorgt, dass sie mondsüchtig geworden war.
Seine Gedanken fanden wieder zu einer gewissen Ordnung zurück, und er stellte plötzlich fest, dass er sogar in der Lage war, einen Entschluss zu fassen.
Ja, so konnte es gehen.
So musste es gehen!
Es gab keinen Helfer für ihn, den er hätte bitten können. Er musste die Sache allein in die Hand nehmen. Genau das war er Melody schuldig. Das hätte sie auch für ihn getan, und so zementierte sich sein Entschluss im Kopf.
Er würde das Haus verlassen und nach ihr suchen. Das Auto stand noch vor der Garage und...
Nein, nicht mit dem Wagen. Der Alkohol und sein Zustand würden ein normales Fahren nicht zulassen. Er fühlte sich zwar nicht völlig betrunken, aber schon angeschlagen, und deshalb wollte er auf eine andere Alternative zurückgreifen.
Auf das Fahrrad!
Als Casey Marwood diesen Entschluss gefasst hatte, fühlte er sich wohler. Es tat seiner Psyche gut, eine Entscheidung getroffen zu haben, und er würde sich durch nichts mehr von seinem Plan abbringen lassen.
Bevor er ging, schloss er das Fenster. Dann holte er seine Jacke vom Haken und verließ das Haus, dessen Tür er sorgfältig abschloss. Sehr langsam zog er den Schlüssel wieder hervor, dabei lag auf seinem Gesicht ein nachdenklicher Ausdruck, doch in seinen Augen hatte sich die Furcht eingenistet.
Und furchtsam blickte er sich auch um, aber es gab niemand in der Nähe, der ihn belauert hätte.
Auf dem kurzen Weg zur Garage, in der auch sein Rad und das seiner Frau stand, machte
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