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Der Mondmann

Der Mondmann

Titel: Der Mondmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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und seine Aktivitäten konnte er durchaus ein ideales Ziel sein.
    Carlotta war ja nicht unbelesen. Während ihrer Gefangenschaft hatte man ihr vieles beigebracht und war auch über ihre Intelligenz und Auffassungsgabe überrascht gewesen. Sie hatte sehr schnell lesen gelernt, und das Lesen war bis heute ihr Hobby Nummer eins geblieben.
    Abenteuergeschichten standen bei ihr an erster Stelle. Sie brachten eine fremde Welt in die ihre. Sie sorgten dafür, dass sie träumen konnte und manchmal die Langeweile im Haus vergaß, denn sie konnte nicht immer raus.
    Sie tauchte ein in die Bücher, und jetzt, wo sie im Turm saß und in die Tiefe schaute, erinnerte sie sich wieder an manche Geschichte, die sie gelesen und nicht vergessen hatte.
    Oft hatten in diesen fantasiehaften Märchen und Legenden auch Türme eine Rolle gespielt, und sie waren nicht nur Staffage gewesen, sondern oft unheimliche Orte, in denen Menschen gefangen gehalten wurden und einem schrecklichen Schicksal entgegensahen.
    Hier auch?
    Carlotta merkte, dass ihr Herz schneller schlug. Herz und Lunge waren bei ihr besonders kräftig entwickelt, und jeder Schlag erreichte ihre Ohren wie ein Dröhnen.
    Das wiederum beeinträchtigte ihre Hörfähigkeit.
    Aber sie wollte wissen, ob sich am Grund des Turmes oder auch irgendwo auf der Treppe etwas tat.
    Noch war nichts zu hören. Sie musste Geduld aufbringen, und das fiel ihr oft schwer.
    Aber sie schaffte es. Irgendwann hörte das harte Schlagen des Herzens auf und sie konnte sich wieder auf ihre Umgebung konzentrieren.
    Um es noch zu optimieren, schloss sie die Augen. Jetzt hatte sie den Eindruck, in sich selbst zu versinken. Sie vergaß auch ihre Umgebung, sie fühlte sich wieder zurückversetzt in den Keller des Instituts, aus dem sie stammte, aber es war trotzdem anders. Wenn sie hier die Augen öffnete, gab es einen Weg in die Freiheit. Hatte sie das früher getan, hatte sie davon nur träumen können.
    Carlotta strengte sich an. Konzentrierte sich nur auf das, was sie hören wollte und auch hörte.
    Ja, da war es wieder!
    Dieses leise Jammern und Weinen, das aus der Tiefe zu ihr hochdrang. Und jetzt, da sie die Laute zum zweiten Mal hörte, war ihr auch klar, dass hier kein Tier gefangen gehalten wurde und jammerte.
    Es war eine menschliche Stimme, und sie transportierte all die Qualen, die die Person erleiden musste.
    Carlotta holte tief Luft. Dann richtete sie sich auf. In diesem Moment hatte sie sich entschlossen, etwas zu unternehmen. Wenn dort unten jemand gefangen gehalten wurde, dann konnte es ihm nicht gut gehen, dann musste er befreit werden, und diese Befreiung lag einzig und allein in ihrer Hand.
    Ja, so würde es laufen!
    Es gab zwar kein normales Licht auf dieser Ebene, aber so finster war es auch nicht. Aus der Höhe fiel etwas Helligkeit nach unten. Dafür sorgten die Sterne und vielleicht auch die schmale Mondsichel, und so war es für Carlotta möglich, auch die erste Stufe der Treppe zu sehen.
    Da musste sie runter!
    Einfach würde es nicht werden. Je tiefer sie ging, umso mehr Licht würde verloren gehen. Deshalb war es besser, wenn sie es von außen versuchte.
    Carlotta schwang ihre Flügel aus. Sie machte sich startbereit, aber sie hörte auch das Flattern über sich. Sie hob den Kopf, drehte sich dabei und schaute in die Höhe.
    Vier Raben flatterten dort und umkreisten die zerstörte Turmspitze. Es gefiel ihr nicht. Sie kamen ihr vor wie Aufpasser, die sie nicht mehr aus dem Turm herauslassen wollten.
    Auf dem Flug hierher hatte es anders ausgesehen. Nun aber hatte sich der Wind gedreht. Zum ersten Mal seit Betreten des Bauwerks spürte sie einen kalten Schauer auf ihrem Rücken.
    Die Raben waren wütend. Sie beschimpften sie durch ihr Krächzen. Carlotta sollte keine Chance gegeben werden, den Turm zu verlassen. Die Vögel waren die Wächter und standen voll unter dem Einfluss des ihr noch unbekannten Mondmanns.
    Nein, nicht nach unten, nach oben musste sie, und dafür nahm sie auch ein Risiko in Kauf.
    Noch einmal sanken die Flügel nach unten. Dann wieder nach oben, und Carlotta merkte, dass ihre Füße den Kontakt mit dem Untergrund verloren.
    Fast senkrecht stieg sie in die Höhe und damit den flatternden Raben entgegen.
    Noch ging alles gut, aber die Stimmen der Tiere veränderten sich. Das Krächzen hörte auf. Carlotta vernahm Laute, die sie an Schreie erinnerten, die möglicherweise auch eine letzte Warnung sein konnten, um die sie sich nicht kümmerte.
    Sie stieg hoch – und

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