Der Mondmann
denken, das hätte ihn nur belastet. Außerdem war er nicht mehr da. Er hatte ihn auf dem kurzen Stück weder gehört noch gesehen.
In dieser Nacht fühlte er sich von Feinden umgeben. Selbst die Bäume, die er so gut kannte, waren dazu geworden. Er verspürte den Drang, sie so schnell wie möglich passieren zu müssen, um nicht von ihnen zerschlagen zu werden.
All diese Vorstellungen traten nicht ein, denn ohne Zwischenfall erreichte Marwood die normale Straße, wo er zunächst abbremste und den Kopf nach rechts und links drehte.
In beide Richtungen lief die Fahrbahn wie ein dunkelgraues Band und verschwand in der Dunkelheit. Die wenigen Lichter von Rosemount gaben einen schwachen Schein ab, den er sich jedoch mehr einbildete, als dass er ihn sah.
Links lauerte die Einsamkeit. Dort gab es die Hügel, die kleinen Seen und die mit Gras und Steinen bedeckten Hänge. Was am Tag romantisch sein konnte, sah in der Nacht leer und verlassen aus.
Er wollte auch nicht unbedingt auf der breiten Talstraße bleiben. Es gab genügend Wege, die abbogen und an denen auch Ziele lagen. Nicht nur die kleinen Gewässer. In ihrer Nähe standen oft genug Schuppen und alte Buden, die früher von irgendwelchen Leuten gebaut worden waren und nun leer standen. Bei schönem Wetter dienten sie den Wanderern als Unterschlupf und Übernachtungsmöglichkeit. Bis die ersten Naturliebhaber eintrafen, würde es noch dauern.
Weg mit den Gedanken und Überlegungen.
Er drehte sein Rad nach links. Ein kurzes Anschieben, dann das Steigen in den Sattel. Bis zur ersten Abzweigung war es nicht weit. An deren Ende gab es eine baufällige Hütte.
Die Kraft und die Angst um Melody trieben ihn weiter. Auf der glatten Straße kam er schneller voran. Der Fahrtwind fauchte in sein Gesicht. Er spürte die Kälte der Mainacht. Von einem warmen Wetter waren sie noch weit entfernt. Zum Glück regnete es nicht, und über ihm lag der Himmel als ein gewaltiges Meer, auf dem unzählige beleuchtete Schiffe vor Anker lagen und eine schmale helle Gondel alles unter Kontrolle hielt.
In der kalten Luft klärten sich seine Gedanken. Marwood war in der Lage, über so etwas wie einen Plan nachzudenken. Er wollte bis zum Ende des Tals fahren und alle Verstecke unter die Lupe nehmen, die er kannte. Allerdings gab es auch welche, die auf den Kuppen der Hügel lagen. Der Weg dorthin war ihm zu steil. Da hätte er sein Rad schieben müssen. Wenn er Melody bis zum Anbruch der Dämmerung nicht gefunden hatte, würde er sich mit der Polizei in Verbindung setzen. Er stellte sich schon jetzt vor, dass ihn die Leute auslachten, wenn er ihnen erzählte, was passiert sein könnte.
Nein, glauben würde man ihm nicht. Vielleicht erst dann, wenn man Melody tot fand.
Der Gedanke trieb ihm einen Schrei aus der Kehle, der im Fahrtwind schnell zerflatterte.
Manchmal hob er den Kopf, um sich zu orientieren. Immer nur kurz, denn der Wind biss in seine Augen, die noch feucht vom Tränenwasser waren. Doch er sah bei diesen kurzen Blicken genug. Die Straße durchschnitt weiter wie mit dem Lineal gezogen das Gelände, und auch die erste Abzweigung würde bald auftauchen.
Das hässlich klingende Krächzen dicht hinter ihm traf ihn wie ein Peitschenschlag. Es war der verdammte Vogel, an den er bisher nicht mehr gedacht hatte. Dass die Schreie sogar den Fahrtwind übertönten, ließ darauf schließen, wie nahe das Tier ihm bereits gekommen war.
Automatisch trat er noch heftiger in die Pedale, obwohl er wusste, dass er dem Verfolger nicht entkommen konnte.
Er war da – und sehr nahe!
Dicht hinter seinem Kopf vernahm er die Flügelschläge. Im nächsten Moment packten zwei Krallen zu. Er spürte sie am Hals und an der rechten Schulter, und einen Augenblick später erwischten ihn die ersten Schnabelhiebe.
Den Schrei konnte er nicht unterdrücken. Es gab Wunden, es gab auch Blut, das daraus hervorquoll, und der verdammte Rabe hackte weiterhin zu.
Marwood hatte mit dem Schmerz zu kämpfen, und er verlor dabei die Übersicht. Plötzlich sah er nicht mehr, wohin er fuhr. Die einfache Strecke wurde für ihn zu einem Problem. Der Lenker ruckte zwischen seinen Händen. Das alles übertrug sich auf das Rad, dass sich plötzlich nach links drehte und sich quer stellte.
Im letzten Augenblick hatte Casey noch abgebremst. Trotzdem kam es, wie es kommen musste. Unsichtbare Hände schienen ihm einen Stoß zu geben, und eine fremde Kraft trieb ihn nach vorn und damit über den Lenker hinweg.
Casey hörte
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