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Der Monstrumologe - Der Monstrumologe - The Monstrumologist

Der Monstrumologe - Der Monstrumologe - The Monstrumologist

Titel: Der Monstrumologe - Der Monstrumologe - The Monstrumologist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rick Yancey
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eine lange Nacht werden.«
    »Jawohl, Sir«, sagte ich. Ich drehte mich ein drittes Mal um.
    »Und bring meine Stiefel, Will Henry!«
    »Natürlich, Sir.«
    Ich zögerte in Erwartung eines vierten Befehls. Der alte Mann namens Erasmus starrte mich an.
    »Nun, worauf wartest du noch?«, fragte der Doktor. »Mach fix, Will Henry!«
    »Ja, Sir«, entgegnete ich. »Sofort, Sir!«
    Ich ließ sie in der Gasse stehen und hörte den alten Mann, als ich durch die Küche eilte, fragen: »Ist er Ihr Junge?«
    »Er ist mein Assistent«, lautete die Antwort des Doktors.
    Ich setzte das Wasser auf und ging dann in den Keller. Ich zündete die Lampen an, legte die Instrumente aus. (Ich war nicht sicher, welche er brauchen würde, aber ich hegte den starken Verdacht, dass die Lieferung das alten Mannes nicht lebendig war – ich hatte keine Geräusche aus der alten Karre gehört, und es schien auch keine große Dringlichkeit zu herrschen, die Ladung ins Haus zu holen … doch mag das auch mehr Hoffnung als Verdacht gewesen sein.) Dann nahm ich einen frischen Kittel aus dem Schrank und kramte unter der Treppe nach den Gummistiefeln des Doktors. Sie waren nicht da, und einen Moment lang stand ich in stummer Panik neben dem Untersuchungstisch. Ich hatte sie die Woche zuvor gewaschen und war mir sicher, sie unter die Treppe getan zu haben. Wo waren die Stiefel des Doktors? Aus der Küche erschollen die schweren Schritte der Männer auf dem Holzboden. Er kam, und ich hatte seine Stiefel verloren!
    Ich entdeckte die Stiefel, gerade als der Doktor und Erasmus die Treppe hinabzusteigen begannen. Sie waren unter dem Arbeitstisch, wo ich sie hingetan hatte. Warum hatte ich sie da hingetan? Ich stellte sie neben den Hocker und wartete; mein Herz hämmerte, mein Atem ging in kurzen, keuchenden Stößen. Das Kellergeschoss war sehr kalt, mindestens zehn Grad kälter als der Rest des Hauses, und blieb so das ganze Jahr über.
    Die Last, immer noch fest in Sackleinen eingewickelt, muss schwer gewesen sein: Die Halsmuskeln der Männer traten vor Anstrengung hervor, und der Abstieg ging quälend langsam vonstatten. Einmal verlangte der alte Mann nach einer Pause. Fünf Stufen vor dem Fuß der Treppe legten sie einen Halt ein, und ich konnte sehen, dass diese Verzögerung den Doktor ärgerte. Er war begierig darauf, seinen neuen Hauptgewinn zu enthüllen.
    Schließlich wuchteten sie ihre Bürde auf den Untersuchungstisch. Der Doktor führte den alten Mann zum Hocker. Erasmus sank darauf nieder, nahm seinen Strohhut ab und wischte sich mit einem dreckigen Lappen über die zerfurchte Stirn. Er war stark am Zittern. Im Licht konnte ich erkennen, dass fast alles an ihm dreckig war, von den schlammverkrusteten Schuhen über die abgebrochenen Fingernägel bis hin zu den feinen Runzeln und tiefen Spalten in seinem uralten Gesicht. Ich konnte das von ihm aufsteigende schwere, lehmige Aroma feuchter Erde riechen.
    »Ein Verbrechen«, murmelte er. »Ein Verbrechen!«
    »Ja, Grabschändung ist ein Verbrechen«, sagte der Doktor. »Ein sehr ernstes Verbrechen, Erasmus. Fünf Jahre Zwangsarbeit und eine Tausend-Dollar-Geldstrafe.« Er schlüpfte in seinen Kittel und verlangte mit einem Wink nach seinen Stiefeln. Er lehnte sich ans Treppengeländer, um sie anzuziehen, wozu einige Anstrengung vonnöten war. »Wir sind jetzt gemeinsame Verschworene. Ich muss Ihnen vertrauen, und Sie Ihrerseits müssen mir vertrauen. Will Henry, wo bleibt mein Tee?«
    Ich rannte die Treppe hoch. Unten sagte der alte Mann: »Ich habe eine Familie zu ernähren. Meine Frau, sie ist sehr krank; sie braucht Medizin. Ich kann keine Arbeit finden, und was nützen den Toten Gold und Juwelen?«
    Sie hatten die Hintertür angelehnt gelassen. Ich schloss sie und schob den Riegel vor, doch nicht bevor ich die Gasse überprüft hatte. Ich sah nichts außer dem Nebel, der dichter geworden war, und dem Pferd, dessen Gesicht von den großen Augen dominiert wurde, die mich um Hilfe anzuflehen schienen.

    Ich konnte das Heben und Senken der Stimmen im Keller hören, während ich den Tee zubereitete: Erasmus’ Stimme mit ihrem hohen, halb hysterischen Klang, die des Doktors gemessen und tief; unter Letzterer schlummerte eine ungeduldige Schroffheit, zweifelsohne geboren aus der Begierde, das unheilige Bündel des alten Mannes auszupacken. Meinen unbeschuhten Füßen war ziemlich kalt geworden, aber ich tat mein Möglichstes, das Unbehagen zu ignorieren. Ich richtete das Tablett mit Zucker und Sahne

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