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Der Monstrumologe - Der Monstrumologe - The Monstrumologist

Der Monstrumologe - Der Monstrumologe - The Monstrumologist

Titel: Der Monstrumologe - Der Monstrumologe - The Monstrumologist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rick Yancey
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sich den Hut auf den Kopf, tauchte in den Nebel ein und schlurfte vorwärts, bis er von ihm verschluckt wurde.
    Ein paar Minuten später, nachdem ich die Tür verriegelt und meine Schuhe nach ein oder zwei Momenten hektischer Suche genau dort gefunden hatte, wo ich sie am Abend zuvor gelassen hatte, stieg ich die Stufen zum Kellerlaboratorium hinunter. Der Doktor wartete am Fuß der Treppe auf mich und trommelte ungeduldig mit den Fingern auf dem Geländer. Offenbar war er nicht der Auffassung, dass genug »fix« in meinem »mach« war. Was mich selbst betraf, so freute ich mich nicht auf den Rest der Nacht. Dies war nicht das erste Mal, dass jemand mitten in der Nacht mit einem makabren Paket im Gepäck an unserer Hintertür vorgesprochen hatte, obwohl das hier zweifellos das größte war, seit es sich ergeben hatte, dass ich bei dem Doktor eingezogen war.
    »Hast du die Tür verschlossen?«, fragte der Doktor. Wieder fiel mir die rosige Farbe seiner Wangen auf, die leichte Kurzatmigkeit, das aufgeregte Zittern in seiner Stimme. Ich bejahte. Er nickte. »Wenn das, was er sagt, wahr ist, WillHenry, wenn ich nicht zum Narren gehalten worden bin – was nicht das erste Mal wäre –, dann ist dies ein außergewöhnlicher Fund. Komm!«
    Wir nahmen unsere Positionen ein, er am Tisch, wo das schlammige Sackleinenbündel lag, ich zu seiner Rechten hinter ihm, um den Platz an dem hohen, fahrbaren Tablett mit den Instrumenten zu besetzen, Bleistift und Notizbuch einsatzbereit. Meine Hand zitterte leicht, als ich das Datum auf den Kopf der Seite schrieb: 15. April 1888.
    Mit einem lauten Klatschlaut streifte er sich die Handschuhe über und stampfte mit den Stiefeln auf dem kalten Steinfußboden auf. Er legte die Maske an, sodass von seinem Gesicht nur noch Nasenwurzel und die angespannten dunklen Augen zu sehen waren.
    »Sind wir bereit, Will Henry?«, fragte er mit durch die Maske gedämpfter Stimme. Er trommelte mit den Fingern in der leeren Luft.
    »Bereit, Sir«, erwiderte ich, obwohl ich mich alles andere als bereit fühlte.
    »Schere!«
    Ich klatschte ihm das Instrument mit dem Griff voran auf den offenen Handteller.
    »Nein, die große, Will Henry. Die Schere da.«
    Er begann an dem schmalen Ende des Bündels, wo sich die Füße befinden mussten, und schnitt bis zur Mitte des dicken Materials, die Schultern hochgezogen, die Kiefermuskeln vor Anstrengung hervortretend. Einmal machte er eine Pause, um seine verkrampften Finger zu dehnen und zu lockern, dann ging er wieder an die Arbeit. Das Sackleinen war nass und schmutzverkrustet.
    »Der Alte hat es fester als einen Weihnachtstruthahn verschnürt«, murmelte der Doktor.
    Es kam mir wie Stunden vor, bis er endlich das andere Ende erreichte. Das Sackleinen klaffte entlang des Schnitts ein oder zwei Zoll auseinander, aber mehr nicht. Der Inhalt blieb einGeheimnis und sollte es noch für ein paar weitere Sekunden bleiben. Der Doktor reichte mir die Schere und lehnte sich gegen den Tisch, um sich vor dem entscheidenden, schrecklichen Höhepunkt auszuruhen. Schließlich reckte er sich und presste die Hände ins Kreuz. Er holte tief Luft.
    »Na schön«, sagte er leise. »Dann wollen wir’s uns mal anschauen, Will Henry.«
    Er zog den Stoff längs des Schnitts Stück für Stück in beide Richtungen auseinander. Das Sackleinen wich auf beiden Seiten zurück und ergoss sich auf den Tisch wie die Blütenblätter einer Blume, die sich öffnet, um die Frühlingssonne willkommen zu heißen.
    Über seinen gebeugten Rücken hinweg konnte ich sie sehen. Nicht die eine korpulente Leiche, die ich erwartet hatte, sondern zwei Körper, einer um den anderen geschlungen in widerlicher Umarmung. Ich würgte die Galle zurück, die aus meinem leeren Magen nach oben schoss, und zwang meine Knie zur Ruhe. Vergessen Sie nicht, ich war zwölf Jahre alt. Ein Junge, ja, aber ein Junge, der bereits mehr als seinen gerechten Anteil an Groteskem gesehen hatte. Das Laboratorium war entlang der Wände mit Regalen ausgestattet, die große Gläser enthielten, in denen in Konservierungslösung Wunderlichkeiten schwebten, Gliedmaßen und Organe von Kreaturen, die Sie nicht erkennen würden, bei denen Sie schwören würden, dass sie dem Reich der Albträume entstammten, nicht der tröstlichen Vertrautheit unserer Realität. Und, wie ich schon sagte, dies war nicht das erste Mal, dass ich dem Doktor an seinem Tisch assistierte.
    Aber nichts hatte mich auf das vorbereitet, was der alte Mann in jener Nacht

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