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Der Mord an Harriet Krohn (German Edition)

Der Mord an Harriet Krohn (German Edition)

Titel: Der Mord an Harriet Krohn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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es sein, sonst wäre die Welt schon untergegangen und Büsche und Gestrüpp würden ungehemmt immer höher und weiter wachsen und schließlich alle Spuren der Spezies Mensch bedecken. Das wäre schön, denkt er, ein patinagrüner Erdball ohne Menschen, nur ein paar grasende Tiere und flatternde, schreiende Vögel. Die junge Frau ist dünn, aber sie sieht gut aus. Sicher ißt sie, was sie braucht, denkt er, vielleicht macht sie Sport, nichts setzt bei ihr an. Oder sie ist erblich belastet und stammt aus einer schmächtigen Familie. Er spekuliert, schindet Zeit, spürt sein Herz unermüdlich schlagen, spürt, daß seine Wangen glühen, obwohl er eben erst eine Ewigkeit lang durch die Straßen gewandert ist, in Kreisen durch die Stadt, grau vom Schneeregen und Nebel. Er hat am Flußufer gestanden und ins Wasser gestarrt, er hat es als eine Lösung betrachtet. Vom Ufer zu springen, sich zu Boden sinken zu lassen. Es geht schnell, hat er gedacht, zuerst kommt ein explosiver Schmerz, dann wird der Kopf glühend heiß, und alles wird rot vor Augen. Das Leben passiert Revue. Inga Lills Krankheit, Julies Verzweiflung, seine eigene krankhafte Spielsucht. Mit Gewalt verdrängt er diese Gedanken. Alles wird jetzt zunehmend realer für ihn. Das, was er seit Tagen und Wochen in seiner Phantasie sieht, wird jetzt Wirklichkeit. Das hier ist der erste Schritt. So harmlos, so vertrauenerweckend wie einen Blumenstrauß zu kaufen. Die junge Frau wartet geduldig, wird aber unsicher, weil er nichts sagt. Sie tritt von einem Fuß auf den anderen, zieht die Hände zurück, legt sie dann wieder auf den Tresen. Ihre Finger sind mit dünnen Ringen geschmückt, die Nägel rotlackiert. Sie schiebt sich die Zöpfe auf den Rücken, die sind blond und glänzen wie Nylonseile, in der nächsten Sekunde fallen sie wieder nach vorn und pendeln über ihren Brüsten. Und er weiß, wenn sie abends schlafen geht und die Gummis abstreift, dann bauschen sich die vom Zopf befreiten Haare nur so um ihren Kopf. So jung sind sie, diese Mädchen, so glatt, so durchscheinend. Er denkt an Reispapier, Porzellan und Seide, er denkt an dünnes Glas. Er kann ihre Adern wie ein feines grünes Netzwerk unter der Haut ihrer Handgelenke sehen. Leben pulsiert darin, mit Nahrung und Sauerstoff, alles, was sie braucht, um am Leben zu bleiben. Wieder holt er tief Luft. Das Licht im Laden, der starke Rosenduft und die fast süßliche Wärme werden zuviel für ihn. Vor seinen Augen tanzen schwarze Flecken. Er merkt, daß er schneller atmet, und er ballt die Fäuste, er spürt, wie seine Fingernägel sich in die Haut bohren. Schmerz, denkt er, das hier passiert wirklich. Nein, nichts ist passiert, noch nicht, aber die Zeit vergeht, und früher oder später werde ich dort ankommen. Wo werde ich hinkommen, wird es schrecklich sein? Das Mädchen hinter dem Ladentisch macht noch einen Versuch, sie lächelt zuvorkommend, aber er erwidert dieses Lächeln nicht. Sein Gesicht ist unbeweglich. Er weiß, daß er lächeln müßte, um wie ein normaler Kunde zu wirken, ein Mann, der etwas tut, was Freude bringt. Der einen Blumenstrauß kauft. Aber er ist kein normaler Kunde, was er hier tut, bringt keine Freude.
    Zögernd tritt er vor den Tresen, sein breiter Körper schwankt über den Boden. Er ist sich seiner Stimme nicht sicher, er hat sie schon eine Weile nicht mehr gehört, und deshalb legt er etwas mehr Kraft hinein als sonst.
    »Ich möchte einen gemischten Strauß«, sagt er, und beim Klang seiner eigenen lauten Stimme fährt er zusammen. Ich habe nasse Füße, denkt er, meine Stiefel sind undicht. Kalter Schweiß läuft über seinen Rücken, seine Wangen dagegen sind glühend heiß. Ich bin nicht sicher, ob das hier passiert. Müßte es nicht ein anderes Gefühl sein, müßte ich nicht viel präsenter sein? Ich habe so viele seltsame Gedanken. Verliere ich die Kontrolle? Nein, ich bin zielstrebig, ich bin sicher. Ich habe einen Plan, und an den halte ich mich. Er wird aus diesen Gedanken gerissen, weil die junge Frau etwas sagt.
    »Soll es zu einem besonderen Anlaß sein?« fragt sie. Ihre Stimme ist freundlich und kindlich, ein wenig aufgesetzt, sie macht sich jünger als sie ist, sie beschützt sich, damit er rücksichtsvoll mit ihr umgeht. So machen Frauen das eben, und er verzeiht, aber nur, weil sie jung ist. Erwachsene Frauen haben sich wie Erwachsene zu benehmen, er kann dieses Affektierte bei älteren Frauen nicht ausstehen, die immer ihr sogenanntes schwaches Geschlecht

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